Theater Wenn der Teufel gütiger ist als Gott
Premiere von „Hiob“: Das Publikum im Theater am Engelsgarten feiert die ebenso intensive wie zeitlos gleichnishafte Inszenierung.
Wuppertal. „Machen Sie sich keine Illusionen. Die Hölle regiert.“ Das schrieb Joseph Roth an seinen Freund und Schriftsteller-Kollegen Stefan Zweig zur Machtergreifung Adolf Hitlers. Am selben Tag verlies Roth Deutschland. Den Weltkrieg hat er nicht mehr erlebt. Er starb im Mai 1939 in Paris.
Verlorensein, Entwurzelung und Verlust sind die Themen der Bücher des aus Galizien stammenden Juden. So auch im Roman „Hiob“. In der Bühnenfassung von Koen Tachelet feierte das Publikum die Premiere der Inszenierung von Patrick Schlösser mit viel Applaus und Bravos am Samstag im Theater am Engelsgarten. Der Regisseur stellt das Wort in den Vordergrund. Der Bühnenboden ist weiß, die Wand mit einer einzigen Türöffnung ist weiß, schwarz sind die Protagonisten gekleidet. Alles ist auf das Wesentliche reduziert. Handlung und ins Publikum gesprochene Monologe stehen nebeneinander in der rund 100-minütigen Aufführung.
In einem fiktiven Schtetl in Russland lebt der Lehrer Mendel Singer in bescheidenen Verhältnissen. Überragend in der Rolle gibt Miko Greza ganz ohne Pathos dieser Gestalt Leben und Eindringlichkeit. Mendel ist der moderne Hiob, geplagt und im Glauben geprüft. Sein Sohn Schermarjah (weltoffen und optimistisch: Aleander Peiler) wandert in die USA aus und fällt im Ersten Weltkrieg. Sohn Jonas (intensiv und naiv: Thomas Braus) geht zur zaristischen Armee und gilt als verschollen. Mendels Sohn Menuchim (zunächst anrührend hilflos und später rettend beredt: Uwe Dreysel) gilt als behindert und darf nicht mit in die USA ausreisen.
Tochter Mirjam (Philippine Pachl gibt ihrer Lebenslust die Tiefe der Verzweiflung, aus der sie erwächst) lässt sich mit Kosaken ein und sucht ein freies Leben jenseits jüdischer Orthodoxie. Mendels Frau Deborah (resolut um die familiären Zügel bemüht: Julia Reznik) stirbt.
„Der Teufel ist gütiger als Gott“, sagt der verzweifelte Hiob-Mendel, der entwurzelt in Amerika gestrandet ist. So bekommt der Baum im Bühnenvordergrund besondere Bedeutung. Zugleich sieht er aus wie eine Stele, ein Grabmal. Sieben Stangen — angelehnt an die Zahl des siebenarmigen Leuchters — durchbohren sie als lanzenartige Äste. Die Schatten des Baumes fallen auf die weiße Wand und verändern sich. Mit dem Video-Mapping von Stefan Pfeifer und Peter Thoma verwandeln sich die Baumschatten über eine computergestützte Animation in die Flagge der USA, in die Hochhäuser New Yorks oder am Schluss in einen grün blühenden Baum, als Mendel mit Gott und der Welt Frieden schließen kann.
So wird die Wuppertaler Inszenierung von Roths „Hiob“ zu einem eindringlichen und beeindruckenden Weltspiel. „Wo Gutes getan wird, dort ist meine Heimat. Und eine Heimat, die nichts Gutes tut, ist keine Heimat.“ Roths Worte sind in Zeiten der Flüchtlingsdramen aktueller denn je.