Kultur Filmprojekt soll die Vielfalt der Arbeitswelten spiegeln
Das Filmprojekt „Arbeit.Mensch.Utopia“ wandert durch die Stadt und lässt unterschiedlichste Menschen zu Wort kommen
Planschen und Spaß haben: Das sind wohl die Haupttätigkeiten, an die man bei Schwimmbädern denkt. An Berufen fällt einem der Bademeister ein, Putzpersonal oder Verwaltung schon seltener. Wo steckt Arbeit, was macht sie aus, wann erfüllt sie uns? Solchen Fragen widmete sich das Projekt „Arbeit. Mensch. Utopia“ mit Filmdrehs im Freibad Neuenhof - groß und doch konkret.
Ganz verschiedenen Menschen gehörte für eine halbe Stunde ein professionelles Filmset, damit sie ihre Sicht auf Arbeit schildern konnten. Die Aktion ging hervor aus Plänen zum hier einst anvisierten Opernformat „Sound of the City“; unter anderem in der Oper soll der heute entstehende Film auch gezeigt werden. Kooperiert wird mit der „Mobilen Oase Oberbarmen“ des Kommunikationszentrums Färberei in Oberbarmen.
Und von hier stammte nun im Wortsinn der Dreh- und Angelpunkt des Tages: Gefilmt wurde im Bauwagen der „Oase“, der sonst auf dem Peter-Hansen-Platz vor der Färberei steht. Außer wenn eben seine Mobilität gefragt ist - für Aktionen irgendwo in der Stadt. Außen zeigte der Wagen eine andere Art Umrüstung, die viel zum Thema sagte: Ein eigens gestaltetes Transparent war voller Symbole für verschiedenste Arbeitsformen. Eine Hand hielt dort ein Reagenzglas, eine zweite eine Zange und eine wurde von einer kleinen umklammert - Branchen wie Forschung, Handwerk, Betreuung waren unschwer herauszulesen.
Die technische Leitung hat Kim Münster, die als Filmemacherin seit Jahren im Tal bekannt ist. Uta Atzpodien ist gleichfalls umtriebige Kulturfrau und nicht zuletzt präsentes Gesicht des „Freien Netzwerks Kultur“. Bislang weniger im öffentlichen Fokus steht Anne Brüne, und dass sie übers Stichwort „Arbeit“ zum Team stößt, ist dabei vielleicht am interessantesten: Als „Beraterin für Unternehmenskultur“ kommt sie aus der Wirtschaft und will einmal die Perspektive wechseln. „Seit 16 Jahren schaue ich von innen, aus dem Tagesbetrieb auf Arbeit. Spannend finde ich bei dem Projekt: Hier erlebe ich Arbeit einmal als etwas, das Menschen ausmacht.“
Im ersten Drehteil gehört alle Aufmerksamkeit jeweils dem oder der Teilnehmerin: Kamera und Mikro laufen, und die Person erzählt. Zuweilen wird auch wiederholt: Es kommt vor, dass beim ersten Versuch etwas nicht recht gelang oder man eine Aussage lieber anders formulieren will. Einmal, ist zu hören, wurden Richtung Müllverbrennungsanlage lautstark Rohre bearbeitet. Man ist eben bei einem Dreh - und das nicht in einem gemauerten Studio, sondern mitten im Leben.
Ein repräsentatives Spektrum
ist den Macherinnen wichtig
Der Aufbau ist erprobt vom Vorgängerprojekt „Mensch. Utopia“, wo man 2016 die „Zelte“ zum Filmen in den Quartieren Wichlinghausen und Arrenberg aufgeschlagen hatte. Der guten Erfahrung damals folgt man nun im „Neuenhof“: Auch hier wird jeder nach Abschluss seines Sprechbeitrags stumm gefilmt, während er seine frisch entstandene Tonaufnahme aus dem Off hört. Vom Vorgängerprojekt zeigt ein online verfügbares Video, wie das wirkt: Die eine lauscht unbewegten Gesichts, der andere schmunzelt leise oder lässt nachträgliche Zustimmung erkennen.
Ein Panorama heutiger Arbeit sollte im „Neuenhof“ entstehen - in möglichst vielen Facetten. Wie wichtig ein repräsentatives Spektrum den Macherinnen war, zeigt sich auch an der Teilnehmersuche. „Ältere Menschen sind eine Gruppe, die zeitweise wenig vertreten war“, erinnert sich Kim Münster, „eine weitere Gruppe sind Arbeitgeber.“ Ganz unterschiedliche Kategorien von Menschen also, die aus der ein oder anderen Warte ihre Sicht auf Arbeitsfragen haben. Auf spontan mitredende Badegäste zu warten kann naturgemäß keinen ausgewogenen Querschnitt sichern.
Auch deshalb konzentrierte sich der Samstagvormittag auf eigens angemeldeten Teilnehmer, deren Hintergrund jeweils gefragte Bezüge abdeckte. Nachmittags freute man sich auch auf Arbeitsexperten der eher zufälligen Sorte - mit dem Handtuch unterm Arm.
Akteure der „Oase“ finden sich am Drehtag auch mitten im Freibadtreiben. Fotografen auf dem Areal richteten ihr Objektiv natürlich nicht voyeurshaft auf unbeteiligte Badegäste, sondern auf ganz besondere „Besucher“: So trifft man auf eine fein gekleidete Frau, gehüllt in rote Bluse und schwarzes Kleid - und schon (jenseits von Bikini oder Badehose) überhaupt „gehüllt“ zu sein, ist an diesem Ort ja recht ungewöhnlich. Noch seltener: Sie singt - in heiterem Opernton und vom Trubel am Beckenrand sichtlich unbeeindruckt. Die Aufnahmen fließen mit in den Film ein, um das Umfeld des Drehs etwas anders zu beleuchten.
Hauptsache aber sind die Filmarbeiten. Eine der angemeldeten Teilnehmerinnen ist die Schülerin Baraa, die Uta Atzpodien von einer Schul-AG im Dörpfeld-Gymnasium kennt. Bevor es an die Aufnahme geht, folgt zunächst ein Vorgespräch, zu dem man einfach auf der Liegewiese Platz nimmt, und Atzpodien gibt plaudernd ein paar Denkanregungen.
Dann ist es so weit: Das Mädchen nimmt im Bauwagen Platz, Brüne postiert sich ihr gegenüber, Münster aktiviert die Kamera - Film ab. Zum Thema Arbeit hat sie den Vergleich mit ihrem Geburtsland gewählt und erzählt, nur leicht aufgeregt: „In Deutschland gibt es auf dem Arbeitsmarkt, so viele Möglichkeiten. In Syrien gibt es das so nicht.“
Für Uta Atzpodien steht die Performance auf dem Gelände für einen wichtigen äußeren Zugang zum Thema, während die Dreharbeiten auf Inneres zielten. Besonders wenn die Teilnehmer ihre eigenen Aussagen hören und dabei noch einmal reflektieren können: „Nur wenn wir innehalten, können wir uns auch weiter entwickeln.“ Der Tag soll Kreise ziehen und zur Vernetzung beitragen. Zum filmischen Ertrag von „Mensch. Utopia“ gab es ihr zufolge schon interessierte Anfragen.