Kultur Texte, bei denen die Mutter nicht den Radio-Stecker zieht
Wuppertal · Rapper Gin Tely plant sein erstes Album. Ein Lied soll sich nur um seine Heimatstadt drehen – mit ihren Vor- und Nachteilen.
Wenn Gin Tely in seinem Studio in Langerfeld sitzt, ist spürbar, dass der Rapper hier zu Hause ist. Sofaecke, zwei große Bildschirme mit Musikprogrammen, Zimmerpflanzen. Eben noch Kaffee kochen, dann erzählt der Künstler seine Geschichte.
„Eigentlich mache ich eher Gangster-Rap“, sagt Gin Tely und lacht verschmitzt. In den frühen 2000er-Jahren versuchte er sich erstmals am Hip-Hop, daraus entstanden später Underground-Tracks. Damals noch harte Lines unter anderem Namen, heute veröffentlicht er Songs auf den bekannten Streaming-Plattformen. Mit seinen sechs Singles erreicht er insgesamt mehrere Millionen Aufrufe, spricht offen von Massentauglichkeit. „Manchmal musst du den ganzen Baum absägen, um an die Früchte zu kommen.“ Dem Vorwurf, damit seine alten Werte zu verkaufen, tritt er entgegen. „Ich verpacke meine Werte genauso in einem melancholischen Track.“ Er hält es für wichtig, vielseitig zu bleiben.
Durch diese Vielfalt zeichnet sich sein Werk aus, so der 31-Jährige. „Musik ist Fantasie, ich versuche, viel mit Emotionen zu arbeiten.“ Seine neueste Single „Anders“ ist ein Liebeslied, in „Tanz“ kombiniert er, zusammen mit dem ebenfalls in Wuppertal lebenden Musiker Carlprit, Party-Text mit schnellen Percussion-Rhythmen. Und in „Bandit“ wird nicht nur anhand des Titels klar, aus welcher Ecke des Rap Gin Tely ursprünglich kommt. Grundsätzlich aber sei er Kompromisse eingegangen, er habe versucht, „positive Vibes“ hineinzubringen. „Die Lieder müssen Texte haben, bei denen meine Mama nicht den Radio-Stecker zieht“, sagt er grinsend. Seine Eltern, die als kosovo-albanische Kriegsflüchtlinge nach Wuppertal kamen, konnten ihm in seiner Jugend nicht viel Halt geben. Er erinnert sich an schwierige Zeiten, sagt aber trotzdem oder gerade deshalb voller Überzeugung: „Ich liebe diese Stadt.“
Nicht ohne Grund erwähnt er seine Heimat häufig in Liedtexten, auch drehte er Teile eines Musikvideos in der Stadthalle. Das tut er auch deshalb, weil die Lieder in 75 Ländern der Welt gehört werden und er Wuppertal eine Plattform geben möchte. Der gelernte Bildhauer kritisiert die hiesige Szene dafür, zu neiderfüllt zu sein: „Es gibt viele Talente, aber es passiert nichts. Die halten nicht zusammen.“ Er möchte Wuppertal verbinden und andere Rapper mit ins Boot holen, erhofft sich aber auch selbst Rückhalt: „Ein Künstler lebt von der Unterstützung seiner Stadt. Was willst du erwarten, wenn du die nicht hast?“
Gin Tely will im nächsten Sommer ein erstes Album herausbringen und plant zudem einen Track allein über Wuppertal, „mit allen Vor- und Nachteilen, hier zu leben“.