Premiere Wuppertaler Taltontheater beeindruckt bei „Misery“ mit Psycho-Duell
Wuppertal · Die Premiere von „Misery“ im Taltontheater, basierend auf dem Horror-Roman von Stephen King, kitzelt die Nerven des Publikums bis zur letzten Minute.
Wenn ein Star auf seinen größten Fan trifft, ist das für beide nicht unbedingt ein Glücksfall. Wie böse eine solche Begegnung enden kann, zeigt das Taltontheater am Ende der Spielzeit mit „Misery“. Basierend auf dem Horror-Roman von Stephen King, gelingt dem Theater hier ein Bühnenthriller, der am Samstag die Nerven des Premierenpublikums bis zur letzten Minute kitzelte.
Unter der Regie von Benjamin Breutel spielt Theaterchef Jens Kalkhorst selbst den erfolgreichen Schriftsteller Paul. Der springt dem Tod gerade so von der Schippe, als er mitten in der Einöde des amerikanischen Westens aus einem Auto-Wrack gezogen wird. Seine Retterin Annie kann ihr Glück kaum fassen, erkennt sie im Schwerverletzten doch den Schöpfer ihrer Lieblingsromanserie „Misery“. Als gelernte Krankenschwester traut sie sich zu, „ihren Helden“ bei sich zu Hause und ohne Hilfe von außen gesund zu pflegen. Seinem „Fan Nr. 1“ ist Paul natürlich sehr dankbar. Weshalb dem nur langsam dämmert, dass er in der Falle sitzt.
Dass mit Annie irgendwas nicht stimmt, deutet schon das zuckersüße Lächeln an, das Darstellerin Tabea Schiefer gekonnt einsetzt. Das ebenso falsche wie freudlose Dauergrinsen hilft dabei, die mütterlich besorgte Krankenpflegerin zu heucheln. Schiefers brave Frisur und ihre Kostümierung als „graue Maus“ passen nur zu gut ins Bild. Einen Riss bekommt die Fassade, als Annie erfährt, dass Paul die von ihr vergötterte Protagonistin Misery „sterben“ lassen möchte. Da verwandelt sich Schiefer in eine Furie, die im grellen Spotlight agiert und dem Autor Mord vorwirft (Licht: Dana Barkow). Annie wiederum schreckt nicht davor zurück, gegen Paul Gewalt anzuwenden – und ihn in ihrem Haus in Isolationshaft zu nehmen.
Angesichts dieser ausweglosen Situation kann der Zuschauer gar nicht anders, als um Paul zu bangen. Kalkhorst verkörpert eindrucksvoll das ans Bett gefesselte Unfallopfer. Dicke Ringe unter den Augen und Wundmale am ganzen Körper zeugen von seiner schlechten Verfassung (Maske: Isabelle Kicinski und Viviane Vollmer). Er windet sich in Schmerzen, stöhnt, schreit – und dennoch schlägt sein Spiel nicht über die Stränge. Als reine Identifikationsfigur taugt er allerdings nicht. Beim Psycho-Duell kehrt Kalkhorst auch den Egozentriker hervor, dem nichts und niemand über sein Schreiben geht. Und wo Annie sich in blinder Wut ergeht, trickst und verletzt er mit Worten.
Bleibt also die Frage, wer den Kampf gewinnt – der abgebrühte Großstädter oder das scheinbar naive Landei? Ohne es recht zu wissen, entscheidet darüber die dritte Figur des Stücks. Als Sheriff bahnt sich Klaus Lemanczyk den Weg durch den dichten Wald, den Regisseur Breutel auf die Bühne stellt. Beharrlich wie er ist, mag er an Pauls Unfalltod nicht glauben. Wie ein zweiter Columbo lässt er sich von Annies Täuschungsmanövern nicht irritieren, forscht weiter, kehrt mit neuen Fragen in ihr abgelegenes Haus zurück. Mit Lemanczyk bekommt die abgründige Story also doch noch eine einen echten Sympathieträger.
Die nächsten Vorstellungen von „Misery“ gibt es am 28. und 29. Mai. Weitere Aufführungen folgen im Juni. Informationen und Tickets findet man unter taltontheater.de.