Tanzprosa-Spielstück Ein Leben zwischen Chaos und Plan

Chrystel Guillebeaud und Bénédicte Billet entwickeln zusammen mit Vanessa Radmann ein Tanzporsa-Spielstück. Premiere ist am 29. April im Studio von Double C.

  Chrystel Guillebeaud und Vanessa Radmann (v.l.) wagen ein gemeinsames Tanz-Schauspiel-Experiment.

 Chrystel Guillebeaud und Vanessa Radmann (v.l.) wagen ein gemeinsames Tanz-Schauspiel-Experiment.

Foto: ANNA SCHWARTZ

Schmetterlinge sind faszinierende Wesen, die für Leichtigkeit und Schönheit stehen, für Zartheit und Beschwingtheit. Dass es in der Meteorologie den sogenannten Schmetterlingseffekt gibt, ist dagegen weniger Allgemeingut. Er steht für Unvorhersehbarkeit und die wiederum ist Thema für drei Künstlerinnen in Wuppertal, die sich für ein ungewöhnliches Projekt, das sie Tanzprosa-Spielstück nennen, zusammengetan haben. „Papillon in die beurre“ kreist um das menschliche Leben zwischen den Polen Chaos und Kausalität, Unvorhersehbarkeit und Planung. Am 29. April wollen Chrystel Guillebeaud (Tanz, Texte), Bénédicte Billet (Tanz) und Vanessa Radmann (Regie) das Ergebnis im Studio von „Double C“ an der Hofaue aufführen.

„Papillon in die beurre“ heißt auf Deutsch Schmetterling in die Butter. Das weckt Assoziationen an ein unfreiwilliges Flugende auf dem Essenstisch und entspricht damit dem, was sich die Künstlerinnen gedacht haben: Zufall, Plan, Absurdität und Spiel in ein poetisches Sprachbild zu fügen, „weil bei unserem Experiment vielleicht nichts herauskommt“, so Guillebeaud. Seine Ursprünge hat dieses Experiment in der Coronakrise, die die Tänzerin Guillebeaud und den Performance-Literaten Mitch Henrich in seiner Schreibwerkstatt zusammenführte. Ohne Corona hätte die Künstlerin dazu keine Zeit gehabt. Ohne Corona hätte sie die Finanzierung durch das Land nicht anschieben können (später warb sie weitere Sponsoren an). Außerdem schrieben Henrich und sie vor dem Hintergrund der Pandemie, die vor Augen führte, dass zufällige Ereignisse eine Katastrophe auslösen können, die das Leben außer Kontrolle bringt und den Wunsch weckt, diese Kontrolle zurückzuerlangen.

Das Absurde ist
das neue Normale

Sie schrieben einen Text über den Schmetterlingseffekt, die Erkenntnis, dass sich Wahrscheinlichkeiten nicht messen lassen. Wobei der Begriff Text nicht ganz zutrifft. Es entstand ein Anagramme und Prosaformen einschließendes Werk aus zwei Sprachen, Deutsch und Französisch. Ein Text, den Guillebeaud Vanessa Radman, die sie von früheren Projekten kannte, bei einem gemeinsamen Essen vorlas. „Ich liebte den Text, seine Poesie, die Dichte der Bilder“, erinnert Radman.

„Papillon in die beurre“ ist und wird noch ein spielerisches, poetisches, humoriges absurd-schönes Stück, in dem sich zwei Experimentierende mit der Regelhaftigkeit der Welt beschäftigen und zu der Erkenntnis gelangen, dass das Absurde das neue Normale ist. Sie forschen auf unterschiedliche Weise – eine verfolgt einen chaotischen, die andere einen programmatischen Ansatz. Doch statt greifbare Ergebnisse zu erzielen verirren sie sich im Labyrinth ihrer Theorien. Das Stück lebe „von zwei Frauen, wunderbaren Tänzerinnen, die ihr Debüt als Schauspielerinnen geben, die ein wundervolles Wesen schaffen wollen. Ob es sich dabei um sie selbst handelt oder nicht, bleibt offen“, erzählt die Regisseurin.

Es wird getanzt, gesprochen, der verbale Rest sukzessive ins Nonverbale übersetzt. Eine Videoinstallation, in der sich ein Mobile – auch ein leichtes und zufällig sich bewegendes Wesen – spiegelt, verwandelt den Raum in eine andere Welt. Musik, die von Klassik bis Jazzimprovisation reicht, begleitet das Geschehen. Das spielt sich auf zwei, ein mal zwei Meter kleinen, ineinander verschränkten Standardpodesten ab, die mitten ins Studio gestellt sind. Ganz nah am Publikum, das sich drumherum gruppieren wird, was Wohnzimmeratmosphäre schafft, die Intensität erhöht, freut sich Guillebeaud. Einladung zu einer gemeinsamen fantasievollen Reise. Nach der Pandemie wolle man eben echte Nähe und persönliche Begegnung, findet Radman, die Menschen seien durstig nach Leben.

Dritte im Boot ist Bénédicte Billet, die wie Guillebeaud Tänzerin bei Pina Bausch war. „Wir sind beide Tänzerinnen und wollen uns auf neuem Terrain bewegen, uns in einer neuen Rolle begegnen, das ist eine Challenge“, erzählt Guillebeaud, die schon lange mit Billet zusammenarbeiten wollte. Auch wenn dadurch die ursprünglich angedachte Frau-Mann-Konstellation wegfällt, die ganze Geschichte neu ausgewogen wird, Billet sich ihren eigenen, authentischen Weg einer Frau suchen muss. Für Radman ist ihre Mitwirkung ein Gewinn, weil beide Frauen Charisma haben, Profis sind. Wenn sie nur auf der Bühne stehen, entstehe schon Kunst, eine Atmosphäre, die sofort da sei, schwärmt die Regisseurin.

Seit Januar wird mit Unterbrechungen geprobt und experimentiert, werden Kostüme entwickelt, die vielleicht kleine Remineszenzen an Schmetterlinge haben werden, wird mit Licht gearbeitet, mit Würfeln und Gläsern als Symbole für Zufall und Experiment. So wächst ein Projekt, das sich nicht festlegen lassen will, das schwankt zwischen Komödien-Ballett und Tanzprosa-Stück.