Buch Hajo Jahns Beiträge über eine vielseitige Frau
Lesebuch über Else Lasker-Schüler: „Die Facetten des Prinzen Jussuf“ bereiten Hahns Beiträge für die WZ im Jahr 2019 auf.
Hajo Jahn hat schon einige Bücher geschrieben und ungezählte Artikel – schließlich ist er Journalist, mittlerweile im Unruhestand. Immer wieder widmet sich der Vorsitzende der Wuppertaler Else Lasker-Schüler-Gesellschaft der berühmten Malerpoetin aus Elberfeld, seiner großen literarischen Liebe. So auch in seiner Serie, die er 2019 in der Westdeutschen Zeitung veröffentlichte – in ihrem Jubiläumsjahr „Meinwärts“, das seine Gesellschaft zu ihrem 150. Geburtstag in Wuppertal ausrichtete. Basis für ein Buch, das er nun unter dem Titel „Die Facetten des Prinzen Jussuf“ veröffentlicht. Ein „Lesebuch über Else Lasker-Schüler“ (1869 bis 1945) heißt es im Untertitel. Jahn erfüllt damit den Wunsch vieler Leser, die die Artikel in einem Buch gebündelt lesen wollen.
Freilich hat der 80-Jährige nicht einfach das abgedruckt, was schon einmal erschienen ist. Vielmehr hat er die insgesamt 20 Beiträge überarbeitet, mindestens ein Gedicht und eine Zeichnung sowie Fotos hinzugefügt, sodass das Buch auch ein optisches Vergnügen ermöglicht. Die einzelnen Kapitel spiegeln die vielseitige Künstlerin auf vielfältige Weise – als Elberfelderin, Dramatikerin, Helikoptermutter, als Araberin, Jüdin, Ökologin. Ergänzend listet Jahn verwendete Bilder, Werke, Bücher und CDs sowie Unterstützer auf, zeichnet das Leben Lasker-Schülers auch in Daten nach und gibt schließlich über sein eigenes Leben Auskunft, das 1941 in Berlin begann und alles andere als geradlinig verlief.
In seinem Buch „geht es nur um einen Menschen, ein Mensch, dem ich nie begegnet bin, der mir jedoch über mehr als drei Jahrzehnte ...immer vertrauter geworden ist“, schreibt der Autor im Prolog. So habe er bei der Arbeit bemerkt, dass er vielleicht derjenige unter den zahlreichen Biografen von Else Lasker-Schüler sei, der mit den meisten Zeitzeugen gesprochen haben dürfte, die noch Kontakt zu ihr selbst hatten. Seine Leistung sei entsprechend weniger eine wissenschaftliche, denn eine journalistische. Er halte oral history fest. Benennt auch etliche seiner Gesprächspartner, den Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Hans-Christoph Binswanger (1929 bis 2018), die deutsche Malerin Eva Pankok (1925 bis 2016), die israelische Publizistin Avital Ben-Chorin (1923 bis 2017) oder den Schweizer Schriftsteller Rudolf Zipkes (1911 bis 2013).
Sie ist auch heute
noch Identifikationsfigur
Warum (noch) ein Buch über Else Lasker-Schüler? Weil sie auch heute Identifikationsfigur ist, antwortet Jahn und nennt Beispiele: Als weibliches Vorbild in einer Welt, in der vermehrt Frauen das Wort ergreifen, als alleinerziehende Mutter, die zugleich sexuelle Tabus brach, als Versöhnerin in einer Zeit, da die Nazis noch mordeten, als Poetin – mit Paul Celan und Nelly Sachs zählte sie zu den wichtigsten deutsch-jüdischen Lyrikern –, deren Zeilen von zahlreichen Komponisten vertont wurden, als Zeichnerin, als Mensch, der schon damals Umweltzerstörung thematisierte. Dabei idealisiert Jahn seine Heldin nicht, erinnert an „Ruppigkeiten“, den Vergleich mit einem „stachligen Feigenkaktus“, eine Frau, die in ihren späten Jerusalemer Jahren als „verhuschte, über 70 Jahre alte Frau“ bezeichnet worden sei, die gelegentlich von Straßenkindern als Hexe verhöhnt wurde. Eine Frau, die vieles war, selbst zwischen Fantasie und Wirklichkeit hängen blieb. Jahn: „Die Meinungen über sie sind facettenreich, eingeflossen in die Beiträge. Ebenso facettenreich wie sie selbst.“
Eine sehr bekannte Facette greift der Titel auf: Prinz Jussuf erinnert an ein Alter Ego von Else Lasker-Schüler. An den Prinzen von Theben, über den sie Geschichten schrieb, den sie zeichnete, in den sie sich verwandelte. „In der männlichen Rolle des Jussuf konnte sich Else Lasker-Schüler jene Freiheiten erträumen, die ihr als Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts versagt blieben“, schrieb Ante Birthälmer vom Von der Heydt-Museum 2018 – ebenfalls in der WZ. Eine von vielen Facetten einer Künstlerin, die von Elberfeld aus in die Welt hinauszog.