Wuppertals Sinfoniker erzählen lustvoll die Leidensgeschichte
Chorkonzert: Spannend vermittelten die städtischen Musiker die Erlösungsbotschaft. Howard Arman dirigierte in der Stadthalle.
Wuppertal. Händels Musik ist ein sinnliches Vergnügen. Und seine Passion "Der für die Sünden der Welt gemarterte und sterbende Jesus" nach der Dichtung von Barthold Heinrich Brockes ist eher große sakrale Oper als Musik für den Gottesdienst.
In damals hoch aktueller, heute kaum noch erträglicher, drastisch-bildreicher Sprache schildert der Text von 1712 die Passionsgeschichte. Jesu Blut "fließt mit Strömen", "Peitsch´ und Ruten zerfleischen" ihn, ehe die Menschheit erlöst ist: "Ew´ges Leben hast du mir mit deinem Tod erworben." Georg Friedrich Händel findet eine ausgefeilte Tonsprache, die die Affekte anschaulich darstellt. Im Großen Saal der Stadthalle nehmen sich das Sinfonieorchester, Solisten der Bühnen und der Konzertchor der Volksbühne (Chor-Einstudierung und Orgel: Thorsten Pech) des letzten deutschsprachigen Werks Händels als Beitrag zu seinem 250.Todesjahr an.
Howard Arman leitet umsichtig vom Cembalo aus. Er setzt auf frische Tempi, die aber nie übereilt wirken. Das Sinfonieorchester klingt federnd und transparent. Die Solo-Passagen sind intensiv gestaltet. Der Dirigent legt Wert auf barockes Spiel, weist Einsätze und Ritardando-Schlüsse präzise an. Den sechs Solisten obliegen in Rezitativen und Arien Handlungs-Schilderung und betrachtende oder kommentierende Darstellung.
Die Choräle und Chorsätze schmücken den jeweiligen Part effektvoll aus, etwa die Schlüsselszene, in der Petrus Jesus dreimal verleugnet. Chromatik und Seufzerfiguren prägen die Handlung tonmalerisch. Feigheit, Schmerz und Reue des Petrus (glänzend: Tenor Stephan Boving) stehen stellvertretend für die sündige Menschheit. Mit reifen und beweglichen Stimmen, sicheren Koloraturen und zumeist guter Text-Artikulation warten auch Elena Fink (Sopran), Joslyn Rechter (Alt), Cornel Frey (Tenor), Reinhold Schreyer-Morlock (Bassbariton) und Raimund Fischer (Bass) auf.
Der Chor folgt dem Dirigenten aufmerksam, so dass Schlüsse einheitlich abgesprochen sind. Die Choräle mit begleitenden Instrumenten gestaltet er durchweg überzeugend, je nach Textlage mit bewegter dynamischer Stufung. Der Chorklang ist homogen - auch durch die in der Mitte aufgestellten Männerstimmen. Ehe der erlösende Schluss-Choral "Ich bin ein Glied an deinem Leib" erklingt, schildert die Tenor-Arie "Brich, brüllender Abgrund" das Welten-Inferno anlässlich des Todes Jesu mit gestoßenen Koloraturen und aufgeregten Streicherjagden.
Die lange Sopran-Arie der "Tochter Zion" (sauber und klangvoll: Elena Fink mit einfühlsamer Colla parte-Begleitung durch die Oboe) beruhigt und weist der gepeinigten Seele den offenstehenden Himmel zu. So theatralisch-dramatisch kann man die Leidensgeschichte erzählen, so lustvoll und spannend vermittelt Händels Brockes-Passion die Erlösungsbotschaft.