WZ TV: Als Statistin im Opernhaus

Redakteurin Martina Thöne kämpfte für einen Barbaren – und gegen ihr eigenes Lampenfieber.

Wuppertal. Wie zwingt man einen Mann in die Knie? Mit einer Perücke, die mich schwarz (aus)sehen lässt, mit den nötigen Handgriffen, die ich noch gar nicht richtig beherrsche, und mit einem gelben Kostüm, das genauso schwer auf meinen Schultern liegt wie die Verantwortung, die ich spüre, als mir wenige Minuten vor Vorstellungsbeginn schlagartig bewusst wird, was ich gleich zu tun habe.

Laura sagt mir nicht nur, wo’s im Opernhaus lang geht - zur Garderobe, in die Maske und direkt auf die Bühne. Sie schwärmt auch schon von unserem gemeinsamen Statisten-Auftritt: "Du musst unseren Herrscher anhimmeln." Na klar, "Iphigenie auf Tauris" ist ja auch ein sagenhafter Stoff. Und wir sind die Amazonen eines Barbaren.

Wenn Laura mit stolz geschwellter Brust erzählt, dass wir gleich einen charismatischen Herrn majestätisch verehren, ihn auch noch mit ganzem Körpereinsatz verteidigen und etliche Feinde besiegen sollen, klingt das so, als ob nichts leichter sei, als das schwere Geschlecht ins Wanken zu bringen. Einen guten Tipp hat sie aber noch: "In der Szene, in dem wir neben dem Thron knien, streicheln wir dem Herrscher die Hände. Aber bloß nicht das Knie berühren. Da ist der Sänger kitzelig!" Woran man alles denken muss, wenn man plötzlich im Rampenlicht steht...

Erstmal geht’s aber in die Maske. Und da erkenne ich mich selbst nicht wieder. Aber Kostüme kann man sich nunmal nicht aussuchen. Wer wüsste das besser als Statisten-Profi Laura? "Sei froh, dass du nicht in einer futuristischen Oper mitspielst. Da musste ich schon einmal in einem ganz komischen Mini-Rock auf die Bühne." Das Argument überzeugt. Ein elegantes Ballkleid wäre mir zwar lieber. Aber wer am Ende triumphieren will, kann bei den Barbaren wohl nur mit Ritterrüstung überleben. Hohe Hacken wären da eher hinderlich.

Und wie sehen sie nun aus, meine Amazonen-Schuhe? Bequem! Ich bin begeistert. Das ändert sich nach der Anprobe. Die Schuhe sind zu eng. Das sich damit erfolgreich in die Fußstapfen von Gesa treten kann, wage ich zu bezweifeln. Das Schuh-Paar ist klein, mein Lampenfieber umso größer - doch zum Glück habe ich gar keine Zeit, um weiter nachzudenken. Gesa ruft zur Probe und damit zu einem Fall-Beispiel: Sie zeigt mir am lebenden (männlichen) Objekt, wie ich mich gleich durchschlagen soll.

Ich staune, schwitze und lächle - mehr verlegen als siegessicher. Weil ich mir die einzelnen (angedeuteten) Schläge beim Geschlechterkampf so schnell gar nicht merken kann, ändere ich die Strategie und versuche es mit einem netten Augenzwinkern: "Ich fürchte, du wirst heute um ein paar blaue Flecken reicher." Sebastian, den ich auf den Boden der Tatsachen bringen soll, obwohl er einen Kopf größer ist als ich, verzieht keine Miene - ganz Profi. "Macht nichts. Aber nicht vergessen: Wir müssen uns immer böse anschauen. Wir kämpfen ja gegeneinander."

Trotzdem entpuppt sich Sebastian, der eigentlich Chemie studiert, aber genauso gern Statist ist ("Es ist schön, nicht immer nur im Labor, sondern auch mal auf der Bühne zu stehen"), als echter Gentleman. Als mein großer Moment gekommen ist, fällt er um - wie auf Knopfdruck.

Auch die Rikscha-Fahrt überlebe ich. Dabei trete ich meiner Vor-Gängerin Laura ständig auf die Füße. Der Profi nimmt auch das gelassen. "Das passiert den anderen auch immer." Weil starke Frauen zusammenhalten, hat Laura am Ende nur eine Sorge: "Hast du eine Allergie? Vielleicht verträgst du den Stoff nicht."

Ich habe einen ganz anderen Verdacht: Die roten Flecken am Dekolletee kommen von der Aufregung. Gesiegt habe ich trotzdem - über meine eigene Angst. Ich habe Sebastian tatsächlich umgehauen. Obwohl: Meine Knie haben sicherlich mehr gezittert als seine. Aber psssst, das muss bei den Barbaren ja keiner wissen...