WZ TV: Star-Tänzerin Advento fand ihr Glück in Wuppertal

Regina Advento hat zwei Seiten: Auf der Bühne ist sie extrovertiert, privat nachdenklich. Pina Bausch lockte die Brasilianerin ins Tal.

Wuppertal. Verkehrte Welt in Barmen: Normalerweise stehen die Füße von Regina Advento im Mittelpunkt. Wenn die Solo-Tänzerin von Pina Bausch weltweit die Blicke auf sich zieht, graziös über die Bühne schreitet und augenzwinkernd mit den Zuschauern flirtet, liegt ihr das Publikum zu Füßen - zwischen New York und Tokio.

Nur zu Hause, in Barmen, ist etwas Entscheidendes anders. Da dreht sich erst einmal alles um die Beine ihrer Gäste. Sympathisch, aber auch schüchtern öffnet die 43-Jährige die Tür zu ihrem ganz persönlichen Reich: "Würde es Ihnen etwas ausmachen, Ihre Schuhe auszuziehen?" Natürlich nicht - schon gar nicht, wenn so höflich gefragt wird.

So leise, wie man als guter Gast die gereichten Pantoffeln überstreift und vorsichtig die Wohnung "erschleicht", in der die gebürtige Brasilianerin mit ihrem Mann Frank und Tochter Jasmin (9) lebt, spricht auch die Tänzerin. Natürlich am liebsten über ihre Berufung, die sie eher zufällig fand, aber längst nicht mehr missen möchte: "Ich brauche das Tanzen als Harmonisierung meiner Seele."

Ein Temperamentsbündel ist sie nicht nur im Rampenlicht: Ihre Arme sind auch beim Reden in Bewegung, und wenn sie mit dem ganzen Gesicht kommuniziert, weiß man, dass ein Lachen tatsächlich ansteckend sein kann. Die Brasilianerin lacht gerne, aber nicht aufgesetzt. Dann etwa, wenn sie vom Beginn ihrer Karriere erzählt: "Tänzerin zu werden, war kein Wunsch, das war Therapie." Weiblicher sollte die junge Dame werden - damals, in Brasilien, als sie am liebsten mit Jungs Fußball spielte und "aggressiv war", wie sie selbst sagt. Also wurde sie von der Schule aus zum Tanzunterricht geschickt.

Die Therapie war ein voller Erfolg - in jeder Hinsicht. Heute wirkt sie alles andere als angriffslustig. Kein Wunder, das Tanzen brachte ihre die erkämpfte Anerkennung. Seit 15 Jahren schauen ihr die Fans des Wuppertaler Tanztheaters respektvoll auf die Füße - und natürlich in die feurig glänzenden dunklen Augen.

Die dürfte einer ganz besonders genießen: Ehemann Frank ist Diplom-Kaufmann und die perfekte Ergänzung im bewegten Leben der Tänzerin, die auch singt, Konzerte im Ada gibt und von ihrem Mann in den höchsten Tönen schwärmt. "Er ist sehr sensibel." Nur in einer Hinsicht zeigt er kein Taktgefühl: "Tanzen kann er leider gar nicht." Auch ihre Tochter setzt lieber auf ein nicht-tänzerisches Hobby und damit auf ein anderes Pferd: "Sie hat das Reiten entdeckt."

Advento selbst ist vielseitig, Sängerin und Tänzerin, aufgeschlossen und fröhlich, aber auch leise und nachdenklich. Sie spricht mit Leidenschaft, hält aber auch immer wieder inne - und glaubt an das Schicksal: "Ich habe sehr viel Glück gehabt und immer Menschen getroffen, die mich zu einem Ziel geführt haben." Den dazugehörigen Mut musste sie jedoch immer selbst aufbringen. Vor allem, als sie 1993 als Nachwuchstänzerin einer Einladung von Pina Bausch an die Folkwang-Hochschule in Essen folgte - ohne ein Rückflug-Ticket und ohne ein einziges Wort Deutsch zu können.

Längst spricht sie die Sprache perfekt. Und nicht nur das. Sie ringt immer wieder um ein passenderes Wort, hält inne, überlegt. Auf gut Deutsch gesagt: Sie ist keine Diva mit Allüren, sondern eine Wahl-Wuppertalerin, die ihr Glück gefunden hat. Auch wenn sie durch die vielen Reisen und den Spagat zwischen den Kulturen "eigentlich keine Heimat" hat. In Barmen fühlt sich aber wohl. "Sehr sogar." Die "verkehrte" Welt ist also genau die richtige.