Lärm macht Wuppertaler krank

Verkehr, Baustellen, Konzerte: Wenn es zu laut wird, kann das zu hohem Blutdruck oder einem Störgeräusch führen, warnt die Tinnitus-Liga in Wuppertal.

Foto: Stefan Fries

Die Schwebebahn rattert, ein Baufahrzeug reißt dröhnend eine Wand ab, aus einem vorbeifahrenden Auto wummern Bässe. Lärm begleitet uns überall. In der Wohnsiedlung mäht ein Gartenbesitzer seinen Rasen, ein Notarztwagen schrillt mit Martinshorn durch die Straßen. Heute veranstaltet die Deutsche Gesellschaft für Akustik deutschlandweit den „Tag gegen Lärm“ unter dem Motto „Akustische Vielfalt“. Er soll die Menschen für die Auswirkungen von Lärm sensibilisieren.

„Das Lärmempfinden ist sehr subjektiv - es gibt Menschen, die ein lautes Rockkonzert toll finden und andere finden es schrecklich“, erklärt Steffi Daubitz aus dem Vorstand der Deutschen Tinnitus-Liga. Diese hat in Wuppertal ihren Sitz und feierte vergangenes Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Tinnitus - ein Geräusch im Ohr ohne äußere Ursache - wird häufig durch Lärm ausgelöst und auf alle Fälle dadurch negativ beeinflusst.

„Unsere Umgebung ist lauter geworden“, hat Steffi Daubitz festgestellt. Wirkliche Stille sei nur noch selten zu finden. Sie rät deshalb zur Prävention: „Gerade Kinder sollten frühzeitig den Umgang mit Lärm üben.“ Phasen des Laut-Seins könnten mit Ruhephasen abwechseln. In der Kita etwa ließen sich solche Momente gut als tägliches Ritual in die Morgenrunde oder nach dem Mittagessen einbauen. So lernen die Kleinen gezielt den Genuss der Stille. „Viele Kinder fordern anschließend von ihren Eltern Ruhephasen ein“, hat die Erzieherin festgestellt.

Doch auch Erwachsene sollten sich über die schädlichen Auswirkungen lauter Geräusche und Musik bewusst sein. Ab 85 Dezibel gilt Lärm als gesundheitsgefährdend. Schon ein schwerer Lkw verbreitet manchmal 90 Dezibel, in der Disco herrschen leicht 100 Dezibel. „Bei plötzlichem Lärm entstehen Schäden im Innenohr“, erklärt Steffi Daubitz. Sie empfiehlt deshalb bei Rockkonzerten oder Discobesuchen Ohrstöpsel. Wer keine dabei hat, sollte sich zumindest von den Boxen fernhalten.

Schon durch einmaligen Lärm kann ein Tinnitus entstehen. Viele Betroffene leiden für den Rest ihres Lebens darunter. „Das ist ein Wahrnehmungsproblem. Jeder Mensch hört Geräusche - aber das wird normalerweise vom Gehirn rausgefiltert“, erklärt die Expertin. Die Tinnitus-Liga vermittelt Betroffenen, wie sie sich entspannen können und ihre Wahrnehmung trainieren, um das Pfeifen oder Brummen im Ohr nicht mehr so stark zu empfinden.

Auch die Stadt Wuppertal hat den Lärm im Blick. Die meiste Lautstärke im Alltag erzeugen mit Abstand Autos und Lastwagen, gefolgt von Bahnen und Schwebebahnen. Industrieanlagen hingegen machen nur einen verschwindend kleinen Teil der Lärmbelästigung aus. So müssen etwa 21 450 Wuppertaler tagsüber Straßenlärm zwischen 60 und 65 Dezibel ertragen, aber nur 5400 Bahnlärm und 20 Industrielärm. Mehr als 75 Dezibel sind von der Industrie draußen gar nicht zu hören, 1280 Wuppertaler erleben diese Lautstärke durch Straßen, 940 durch Schienenverkehr. Nachts müssen 12670 Wuppertaler mit 60 Dezibel und 21210 mit 55 Dezibel Straßenlärm leben. „Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen, die in Verkehrslärm leben, oft hohen Blutdruck haben“, sagt Steffi Daubitz. Betroffen sind vor allem die Talachse und die großen Verbindungsstraßen in den Stadtteilen. Ein Lärmaktionsplan versucht, Autos auf Straßen mit weniger Anwohnern zu bündeln und die Geräusche durch Geschwindigkeitsbegrenzungen zu verringern. Außerdem sollen auf Durchgangsstraßen schadhafte Oberflächen repariert werden. Im städtischen Geoportal können die Wuppertaler detailliert sehen, wo es in Wuppertal besonders laut ist.

Grundsätzlich gehen die Wuppertaler aber vernünftig mit Lärmquellen um. „Es gibt so gut wie nie Beschwerden“, sagt Carsten Vorsich, Leiter des Ordnungsamts. Manchmal müsse die Polizei nachts Feiernde um leisere Musik bitten, aber ansonsten gebe es kaum Probleme mit Lärm auf Straßen und Plätzen.