Diskussion in Wuppertal Lehrer 60+ und aus Risikogruppen sollen Abschlussprüfungen abnehmen
Wuppertal · Ein Erlass der Bezirksregierung sorgt für Unruhe in der Wuppertaler Lehrerschaft: Bei mündlichen Abschlussprüfungen sollen nun doch auch ältere und Lehrer mit Vorerkrankungen eingesetzt werden.
Bei den aktuellen mündlichen Abschlussprüfungen an weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen sollen nun doch auch ältere und Lehrer mit Vorerkrankungen eingesetzt werden. Am 11. Mai wies Schulministerin Yvonne Gebauer die Bezirksregierungen an, diesen Erlass umzusetzen. Dies sorgt erneut für Unruhe in der Lehrerschaft – auch in Wuppertal. Derweil werden weitergehende Einsätze geprüft (siehe Kasten).
Die Corona-Krise hat nicht nur das Schulleben durcheinander gewirbelt, sie sorgt auch seit Wochen dafür, dass die Einrichtungen mit E-Mails des Ministeriums geflutet werden. Bisher, so Richard Voß, der dem Leitungsteam der Bildungsgewerkschaft GEW Wuppertal angehört, hatte gegolten, dass bis 24. Mai Lehrer mit 60 Jahren und aufwärts nicht in die Schulen müssen, und Lehrer aus Risikogruppen nicht in die Schulen dürfen. Voß vermisst eine klare Linie und Verlässlichkeit in Düsseldorf.
Unabhängig davon kenne er in Wuppertal sowohl Lehrer 60+, die freiwillig arbeiten wollen, als auch welche, die generell in Sorge sind. Er vermutet, dass Personalmangel hinter der Änderung stecke. Martin Hermes, der dem Bezirksvorstand des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) NRW angehört, nennt Zahlen: Es fehlen im Land 20 bis 30 Prozent Lehrer. Auch ohne Corona-Krise.
Von den rund hundert Schulen in Wuppertal sind fast 50 weiterführende (Real-, Gesamt-, Kolleg-, Hauptschulen und Gesamtschulen). Einrichtungen, in denen jetzt Abschlussprüfungen stattfinden. Ein Viertel der Lehrkräfte in NRW, schätzt Voß, gehören der Risikogruppe an, jeder neunte Lehrer sei wohl 60 Jahre und älter. In jedem Kollegium in Wuppertal, ergänzt Martin Hermes, sind im Schnitt zwischen 20 und 30 Prozent ältere Lehrkräfte. Die Babyboomer-Generation, nach der in den 90er Jahren deutlich weniger Lehrer eingestellt wurden, steht vor der Rente. Offizielle Zahlen gibt es nicht, auch weil Angaben zur Gesundheit der Lehrkräfte dem Datenschutz unterliegen.
Lehrkräfte zwischen Angst und Bereitwilligkeit
Viele fragen sich nun, wie die neue Anordnung mit den Hygieneschutzmaßnahmen zu vereinbaren seien, da sich die Lage nicht geändert habe. „Man kann jetzt nicht plötzlich so tun als ob alles ungefährlich ist. Das ist nicht nachvollziehbar für mich“, so Hermes. Zwar hätten auch zuvor schon Ältere ohne Vorerkrankung signalisiert, unterrichten zu wollen. Aber es gebe eben auch jene, die Angst haben. Er mahnt genaue Hygienemaßnahmen an.
Das fordert auch der Vorsitzende des VBE-Landesverbands, Michael Goecke, der kritisiert, dass die Gewerkschaften nicht in die Vorgespräche des Erlasses eingebunden worden seien. Er vermisst Feingefühl und Konstanz, die an seiner Grundschule (St. Michael) dazu führe, dass die Regelung, wann die verschiedenen Jahrgänge wieder beschult werden sollen, mehrfach geändert wurde. Dass nun auch 60+-Kräfte, die zuvor freiwillig unterrichten durften, nun verpflichtet werden, erhöhe das Risiko erheblich.
Ganz pragmatisch geht Dorothee Kleinherbers-Boden, Leiterin der Else Lasker-Schüler-Gesamtschule, an das Thema heran. Von ihren 143 Lehrkräften seien 52 im Alter 60+ und ohne Vorerkrankung. 14 Lehrer unterrichten nicht, weil sie zu den Risikogruppen gehören. Zwei darunter können nun bei den mündlichen Abschlussprüfungen dabei sein. „Ich bin froh, dass das Ministerium das jetzt erlaubt. Es ist schon gut, wenn vertraute Lehrer die mündlichen Prüfungen abnehmen.“
Letzteres unterstreicht auch die zuständige Bezirksregierung in Düsseldorf. Außerdem weist sie auf die Abstands- und Hygieneregelungen hin, die gerade bei mündlichen Prüfungen sehr gut zu gewährleisten seien. Wenn ein fester Kreis von Prüfern und nur ein Prüfling im Raum sind. Im Übrigen unterscheide sich eine Prüfungssituation nicht grundsätzlich von einem Dienstgespräch, an dem alle Lehrkräfte teilnehmen sollen.