Leichter Zugang zur schweren Oper

Premiere für das neue Format „Große Oper klein“ der Wuppertaler Oper: Kinder werden übers Mitmachen an „Hänsel und Gretel“ herangeführt.

Foto: Anna Schwartz

Oper, das ist was für Erwachsene und was fürs Wochenende. Kann sein, muss aber nicht: Oper, das ist was für Kinder und was für den Alltag. Das neue Format „Große Oper klein“ der Wuppertaler Oper macht es möglich: Gestern und heute hat im großen Haus an der Kurt-Drees-Straße Engelbert Humperdincks Märchenspiel „Hänsel und Gretel“ in einer gekürzten Fassung für Schulen Premiere. Der Beweis, dass Oper viel mit Kindern zu tun hat. Und das nicht nur, weil sie keine Vorbehalte gegen gesungene Gespräche haben.

„Hallo Kinder, wisst ihr denn auch, wie das Stück heißt, das ihr hier seht?“, fragt die Hexe Rosina Leckermaul ins dunkle Zuschauerrund. Von dort schallt ein vielstimmiges „Hänsel und Gretel“ zurück. „Falsch. Dies ist die Geschichte von Rosina Leckermaul und den bösen Kindern, die sie in den Ofen gesteckt haben“, zischt sie schrill und unter großem Lachen des jungen Publikums zurück. Mehrere Schulklassen samt Lehrern und einigen weiteren Erwachsenen verfolgen aufmerksam das Geschehen auf der Bühne, das sich deutlich vom großen Vorbild unterscheidet, ohne wirklich anders zu sein.

Karin Kotzbauer-Bode ist Regieassistentin an der Oper und hat die einstündige Einsteiger-Version geschrieben. Dafür beschränkt sie sich auf die Kernaussage der Geschichte um „zwei Kinder, die Unfug machen, in den Wald geschickt werden, dort einschlafen und der Hexe begegnen“. Dafür lässt sie einige Blöcke der Vorlage weg, verwendet andere und bindet diese in eine Rahmenhandlung ein. „Die Moderationshexe erzählt die Geschichte in einer Art Rückblick“, erklärt die 27-Jährige. Die Hexe bezieht die Kinder ein, unterbricht das Geschehen, erklärt das Musiktheater. Die Kinder lernen nicht nur die Oper kennen, sondern erfahren, was Musik bewirkt.

So bekannt das Grimm’sche Märchen auch ist, Svea Schenkel, plädiert für eine gute Vorbereitung, weil die Opernaufführung dann „spannender wird“. Dafür verschickt die 26-jährige Theaterpädagogin, die sich im fünfköpfigen Education-Team der Wuppertaler Bühnen um die Oper kümmert, Unterrichtsmaterialien an die Schulen und bietet spezielle Workshops an. „Hier wird ein Bezug zu den Zuschauern hergestellt, indem sie selber ausprobieren“, erklärt sie. Heißt: „Hänsel und Gretel“ wird im halbstündigen Schnelldurchlauf durchgespielt. Die Schüler übernehmen einzelne Rollen, hören Ausschnitte der Oper, gestalten Szenen zur Musik oder singen mit. Sie lernen, wie Musiktheater funktioniert, nähern sich den Figuren und ihrer Musik praktisch an. Schenkel: „So merken die Kinder, was die Oper mit ihnen selbst zu tun hat. Sie können sie reflektierter anschauen.“

Ist die Geschichte von „Hänsel und Gretel“, die im Anfang des 19. Jahrhundert erstmals veröffentlicht wurde, überhaupt noch aktuell? „Ja“, sagt Karin Kotzbauer-Bode entschieden und nennt zwei von mehreren Botschaften: „Es geht um Kinder, die in Armut leben. Und es geht darum, wie sie mit Gefahren umgehen.“ Überdies werden die wirklich beängstigenden Szenen des Märchens abgemildert. Beispiel: Die Hexe tritt gleich zu Anfang der Aufführung aus dem Ofen, raucht zwar etwas, ist aber ansonsten unbeschadet.

So kann sie durch die Oper führen, die Regie übernehmen und gleich mal das erste Bild sprengen. Als Gretel Hänsel zum Tanzen auffordert, schreit sie: „Das soll Tanzen sein?!“ und fordert die kleinen Zuschauer auf, den auf der Bühne erstarrten Akteuren zu zeigen, was echter Rhythmus ist. Die folgen der Aufforderung sehr gern, drehen sich in den engen Sitzreihen zu „Brüderchen, komm tanz mit mir“ „einmal hin, einmal her, rundherum, das ist nicht schwer“. Und so entsteht durchs Mitmachen ein ganz eigener, leichter Zugang zur schweren Oper.