Lieber Mantel als T-Shirt
WZ-Kolumnist Uwe Becker ist ganz klar ein Herbsttyp.
Nachdem ich vor einigen Tagen meine Übergangsjacke zur Reinigung gebracht hatte, war am Dienstag mein Wintermantel an der Reihe. Ich mag es, wenn die Sachen für den Herbst und Winter frisch im Schrank hängen, auch wenn es momentan noch etwas zu warm für diese Kleidungsstücke ist. Aber wenn bald schon die ersten Winde wehen und ein leichter Nieselregen die Straßen nässt, dann habe ich die passende Kleidung schon griffbereit.
Ich stehe zwar noch nicht im Herbst des Lebens, vielmehr erlebe ich gerade meinen neunten Frühling, aber ich bin eher der, der gerne den Kragen des Mantels hochschlägt, den warmen Schal um den Hals legt und mollige Winterstiefel trägt. Kälte macht mir nichts aus, bei Dauer- und Starkregen bin ich zwar nur halb begeistert, auch weil ich immer vergesse, meinen Knirps einzustecken, selbst wenn der Wetterbericht dringend zur Mitnahme mahnt. Meine gefütterten Handschuhe habe ich auch schon im Flur auf die Garderobe gelegt, weil ich sie früher immer überall suchen musste, wenn ich sie benötigte.
Beim Thema Nahrung in den Jahreszeiten liegt der Herbst bei mir in der Gunst klar vorne. Die leichte Kost, die im Sommer gereicht wird, ist nichts für mich. Ab und an esse ich gerne mal einen Salat mit hartgekochten Eiern, Schafskäse und Oliven, aber lieber nur als Vorspeise, danach möchte ich Gulasch mit Spätzle und Apfelmus oder Kohlrouladen, Schweinebraten mit Klößen oder Kassler auf Sauerkraut mit Kartoffelpüree.
Im Sommer sind diese Speisen allerdings aufgrund der Hitze schwer zu vertilgen. Im vergangenen Juli war ich Zeuge einer sehr unappetitlichen Szene: Ein Mann verzehrte in einem Ausflugslokal eine Schweinshaxe, und geriet dabei so arg ins Dampfen, dass er Messer und Gabel zur Seite legte, um sich sein schweißnasses T-Shirt vom Leib zu ziehen. Weil das Shirt feucht und klamm an seinem Oberkörper klebte, dauerte dieser beschämende Vorgang auch noch eine lange Weile.
Begrabt mein
Herz in Wuppertal
Die Wahl der Kleidung mancher meiner Mitmenschen im Sommer lässt mich oft erschaudern. Einige Zeitgenossen mustern sich bei starker Hitze dergestalt unvorteilhaft, dass ich nicht selten überlege, meinen Besorgungs- oder Spaziergang abzubrechen, weil mir die dauerhafte Betrachtung extrem gruselig und spärlich bekleideter Menschen mehr als missfällt.
In der kalten Jahreszeit gibt es dann auch für diese Zeitgenossen, dem Herrgott sei es gedankt, größere Umhänge, warme Mützen, Hüte und dicke, lange Mäntel. Ich kann wirklich sagen, meine Affinität für die Herbst- und Winterzeit ist sehr ausgeprägt. Morgen werde ich mal in den Keller gehen, um die Kufen von meinem Schlitten mit Speckschwarten einzufetten. Aber ich denke, dafür ist es jetzt mal echt ein bisschen zu früh, oder?
Wenn ich aber ehrlich bin, überlege ich ernsthaft, ob ich dieser Tage, am besten direkt morgen, zur Werkstatt fahren sollte, um mir die neuen Winterreifen zu kaufen. Ich würde sie auch nicht mehr in den Keller bringen, sondern im Treppenhaus, unter den Briefkästen ablegen, auch wenn meine Nachbarn sich dann vielleicht beschweren würden. Ich muss jetzt allerdings meine Euphorie, was den Herbst betrifft, ein wenig bremsen, weil ich weder Auto noch Führerschein besitze. Aber ich bin ein Herbsttyp, das stimmt schon.