Liebeserklärung an das Theater
Gefeierte Premiere der Komödie „Pension Schöller“ im Opernhaus. Spielfreudiges Ensemble bietet Unterhaltung auf hohem Niveau.
„Ich niebe das Theater“, schwärmt Eugen und vergisst darüber glatt, dass er das Ll nur als N aussprechen kann. Eine Liebeserklärung an das Theaterspiel war auch die Aufführung der „Pension Schöller“ durch das Wuppertaler Schauspielensemble am Samstagabend. Die zweite Premiere der Spielzeit im Opernhaus bewies, dass Komödien witzig und niveauvoll erzählt werden können. Wer wollte, konnte über den Begriff des Normalen in der Gesellschaft und dessen unklare Definition nachdenken — musste es aber nicht. Intendant Thomas Braus geht mit dieser Inszenierung konsequent den Weg der ungebremsten Spielfreude weiter.
Das 1890 von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs geschriebene Lustspiel erzählt vom Gutsbesitzer Philipp Klapproth, der eine Irrenanstalt kennenlernen will, weil er sich von den Verrückten „witzige Geschichten“ verspricht, die er, wieder zuhause, zum Besten geben will. Neffe Alfred soll ihm den Wunsch erfüllen — gegen Finanzierung einer Geschäftsgründung. Alfreds Freund Franz empfiehlt ihm die väterliche Pension Schöller mit ihren exzentrischen Gästen. Alle sind zufrieden, auch der hinters Licht geführte Klapproth amüsiert sich prächtig — bis ihn die vermeintlich Verrückten auf seinem Gut aufsuchen.
Regisseur Alexander Marusch inszeniert die Geschichte emotional rasant, bewusst übertreibend, mit vielen akrobatischen und vor allem choreographischen Bewegungen und witzigen Wortspielereien. Und er lässt sie in Italien spielen — jenem Sehnsuchtsort der Deutschen, Sinnbild für Temperament, Lebensfreude und Exaltiertheit. Gregor Sturm konzentriert das Bühnenbild auf zwei riesige, pertrolfarbene Plüschsesselburgen, deren vielfache Verschachtelungen zahllose Gelegenheiten zum Turnen, Verrenken, Sitzen, Erzählen und Verstecken bieten. Grandios quält sich der 1,70 Meter kleine, federleichte Martin Petschan, der den verhinderten Schauspieler Eugen, Mündel von Pensionsbesitzer Schöller, hingebungsvoll wie tragisch gibt und dabei zum Publikumsliebling avanciert, hinauf, um von dort die klassische Apfelschussszene aus „Wilhelm Tell“ aufzuführen. Unverrichteterweise müht er sich wieder herunter, bis der knapp 1,90 Meter große Klapproth den Weg abkürzt und ihn kurzerhand hinunter hebt. Der Gutsbesitzer entgeht zwar, den Apfel mit dem Gummiband auf den Kopf geschnallt, dem Schuss, gerät aber zunehmend in Verdacht, der eigentlich Verrückte zu sein.
Es macht Spaß zuzuschauen, wie Stefan Walz als Klapproth mimisch und gestisch die Erzählungen der „Irren“ „vertont“ und in sich aufsaugt. Etwa wenn er Schriftstellerin Josephine Zillertal (Philippine Pachl) näher kommt und dem Begriff „Füßeln“ eine neue Bedeutung gibt. Jeder Schauspieler hat an diesem Abend seinen spielfreudigen Moment: Thomas Braus, der den Pensionschef gibt, beweist Nosferatu-Qualitäten, Konstantin Wickert gibt einen Professor Bernhardy als Mischung aus Che Guevara und Spätentwickler, den die Schwester Klapproths (Lena Vogt) erlöst — und sich gleich mit. Und der linkische Alfred (Alexander Peiler) kriegt seine Franziska (alias Julia Reznik), die nur einen falschen Schnurrbart entfernt in Freund Francesco steckt.
Selbstredend sind am Ende alle glücklich, ohne dass sie wirklich Konflikte lösen mussten. Selbst Eugen findet sein L wieder, nur Klapproth muss zahlen: Ihm kommt selbiges abhanden. Theaterunterhaltung in Bestform — zur Freude eines begeisterten Publikums.