Sinshots haben den Dreh raus
Mit Technik und Taktik schafften es die Wuppertaler bis in die 2. Bundesliga.
Wuppertal. Oliver Eichenberg zieht sich den Baseball-Handschuh über und zeigt, wie man es nicht machen sollte. "Keine Schüsse aus dem Handgelenk", sagt der Kommunikationsdesigner. "Die Drehbewegung sollte man über die Stange abrollen."
Klassischer Anfängerfehler für einen Gelegenheits-Tischkicker-Spieler, der sich mit Kumpels in der Kneipe trifft. Bei Eichenberg und seinen Mannschaftskameraden der "Sinshots Wuppertal" (der Name ist abgeleitet von "pinshot", übersetzt: den Ball einklemmen) hat es auch so angefangen, doch inzwischen kickern die sieben Männer semiprofessionell.
Jüngst ist das Team in die 2.Bundesliga aufgestiegen und damit das höchstklassig spielende Team im Tal. "Wir haben feste Bewegungsabläufe, das Pass-System muss ständig trainiert werden", erklärt Eichenberg. "Die Pässe müssen aus dem Eff-Eff kommen." Mindestens zweimal in der Woche treffen sich die Spieler im "Upstairs" an der Neumarktstraße, um die "Puppen", also die Spielfiguren, tanzen zu lassen. Dabei studieren sie neue Tricks und Kniffe ein und arbeiten sogar mit Videoanalysen.
"Viele Leute verbinden mit Kickern Kneipe, Hinterzimmer, Bier und Zigarette. Es ist aber ein facettenreicher Sport, der Konzentration und Schnelligkeit erfordert", sagt der angehende Mediengestalter Christian Ewald (22). Die Zauberworte beim Leistungskickern heißen Taktik und Technik. Wichtigster Mannschaftsteil ist die Fünferreihe in der Mitte des Tisches.
Sie muss die drei Stürmer mit geraden oder angeschnittenen Pässen bedienen. Während die beiden Verteidiger die Bälle halten und schießen, dient der Torhüter zumeist nur als Ausputzer. "Die Fünferreihe muss man gut ein Jahr trainieren", sagt Eichenberg, der fast täglich an einem eigenen etwa 2000 Euro teuren Tisch in seiner Wohnung übt. "Unabhängig vom Alter, man sieht den Leuten ihre Spielstärke nicht an. Deshalb sollte man keinen Spieler unterschätzen", lautet sein Ratschlag. Wenn die Partie läuft, sind Witze oder Sprüche wie in der Kneipe verboten.
Nach einem Satz (knappster Sieg ist ein 6:4) gibt es 60 Sekunden Pause, zwei Auszeiten von 30 Sekunden können genommen werden. "Wichtig ist, dass man das Spiel des Gegners liest, um dann Pässe zu spielen, die nicht geblockt werden können", sagt Alexander Fromme (27).
Die nervliche Anspannung ist enorm, mitunter auch die physische. "Nach einem Turnier muss ich mir immer einen Tag Urlaub nehmen", sagt Ewald. Blessuren kommen vor allem im Handgelenk, Rücken oder in der Schulter vor. Doch das ist den Sinshots ihre Passion wert. "Man muss schon einen leichten Tick haben", sagt Oliver Gonsch (29).
Ihn fasziniert vor allem, dass Kickern gesellschaftsübergreifend ist. "Alter, Beruf oder Nationalität sind egal", sagt der KFZ-Meister. "Banker Josef Ackermann soll ja auch einen Tisch im Keller stehen haben." Auf etwa 50 "Kicker-Verrückte" wird die Gemeinde derjenigen in Wuppertal geschätzt, die auf starkem Niveau spielen. Geht es nach den Sinshots, können es gerne mehr werden.
Ihr Traum: ein Leistungszentrum als reine Sportstätte. "Wir wollen weg von der Alkohol- und Nikotinatmosphäre", sagt Eichenberg, auch, um mehr Nachwuchsspieler anzusprechen. Und Frauen - die sind beim Kickern immer noch stark unterrepräsentiert.