Nach 118 Jahren geht der Ofen aus
Das Heizkraftwerk an der Kabelstraße wird im Mai 2018 testweise abgeschaltet. Der Rückbau wird rund zwei Jahre dauern.
Arrenberg. Das Heizkraftwerk an der Kabelstraße ist ein rauer Ort. In manchen Ecken wärmt sich die Luft auf bis zu 40 Grad auf, ein Dauerdröhnen ist allgegenwärtig und wer ans falsche Geländer fasst, hat Hände wie ein Schornsteinfeger. Doch Kraftwerksleiter Volker Leonhard von den Wuppertaler Stadtwerken (WSW) spaziert gerne durch sein Ungetüm. „Es ist heiß, laut und dreckig. Doch uns hier macht das Spaß“, sagt er. Und daher gebe es keinen der 70 Mitarbeiter des 1900 erbauten Kraftwerks, dessen Herz aktuell nicht schwer ist.
Die Tage des Werks sind gezählt. Ende Mai 2018 soll die Anlage testweise abgeschaltet werden. „Da wird wohl außer uns niemanden traurig sein“, sagt Leonhard. „Kohle hat ihre gesellschaftliche Akzeptanz verloren.“ Ein Resultat der Energiewende.
Strom liefert das Werk seit Jahr und Tag, Fernwärme seit 1926. Letztere Aufgabe wird künftig die AWG, die derzeit mit neuen Leitungen für die nötige Infrastruktur sorgt, zum größten Teil übernehmen. Mitte des kommenden Jahres soll es losgehen können. Doch erst wenn das neue System sich bewährt hat, haben Kessel und Turbine in Elberfeld endgültig ausgedient, übergangsweise bleiben sie in Bereitschaft. Der Verbraucher soll von alledem nichts merken. „Spätestens bis 31. März 2019 können wir hier noch arbeiten. Dann verlieren wir eine Grundvoraussetzung: das Personal“, sagt Leonhard.
Froh ist der Kraftwerksleiter, der auch für die Anlage in Barmen zuständig ist, dass kein Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt werden muss. Zwischen Altersteilzeit und Versetzung innerhalb der WSW gebe es vielfältige Lösungen. „Wir sind hier quasi ein Reparaturunternehmen. Unsere Mitarbeiter sind universell einsetzbar“, sagt der 59-Jährige.
Wenn die Menschen aus der Anlage verschwunden sind, kann das Tor aber noch lange nicht abgeschlossen werden. „Wir müssen das Werk in einen gesicherten Zustand überführen“, sagt Leonhard. Im Gebäude ruhen an unterschiedlichen Stellen Öl, Säure und Lauge. Bis das ehemalige Werk weder für Mensch noch Umwelt eine Gefahr darstellt, wird es nach Schätzung des Experten rund sechs Monate dauern.
Doch das Ziel der WSW ist es, ein Gelände zu hinterlassen, das wieder neu vermarktet werden kann. Zwar ist das Areal für einen Preis von 500 000 Euro bereits heute auf dem Markt, doch noch ist das Angebot eine Wundertüte. „Wir stellen derzeit ein Rückbaugutachten her“, berichtet Leonhard. Erst wenn das Ergebnis Anfang des kommenden Jahres vorliegt, wissen Käufer, wie viel ein Rückbau der Anlage — inklusive 198-Meter-Turm — am Ende kostet und ob nicht noch Altlasten im Boden schlummern, auf dem früher auch einmal ein Straßenbahndepot stand. Leonhard glaubt: „Der Rückbau wird rund zwei Jahre dauern.“
Trotz allem soll es bereits Interessanten für die Fläche am Arrenberg geben. Ob darunter auch der Nachbar Bayer ist, dazu sagt der WSW-Mann noch nichts. Nur soviel: „Bayer kennt unsere Situation.“ Das Verhältnis sei gut. Das Kraftwerk versorgt die Nachbarn unter anderem mit Dampf und Kühlwasser.
1998 wurde das Werk zuletzt modernisiert. Jetzt hätte man wieder Geld in die Hand nehmen müssen. Für Leonhard ist die Schließung eine traurige, aber notwendige Entscheidung. „Wir opfern etwas. Damit retten wir aber das Fernwärmesystem in Wuppertal.“