Nach der CDU-Rebellion: Das lief hinter den Kulissen
Am Abend trifft sich die Wuppertaler CDU zu ihrem Parteitag — der spannend wird. Wie stehen die Mitglieder zu dem Streit?
Wuppertal. Am Freitagabend werden die Mitglieder der Wuppertaler CDU entweder ein eindrucksvolles Signal der Geschlossenheit aussenden — oder sie werden die Mandatsträger und Fraktionsmitglieder zur offenen Auskunft zwingen, wie es zu dieser Selbstzerfleischung kommen konnte. Auch wenn die Einheit der Fraktion nach der erfolgreichen Schlichtung des CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach wiederhergestellt worden ist, bleibt doch als Resümee, dass der Schaden durch die Rebellion von neun Fraktionsmitgliedern für die Christdemokraten immens ist.
Das ist das Ergebnis der heftigen gegenseitigen Vorwürfe, die den Wuppertalern in ungeahnter Offenheit einen Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebs erlaubten: Als der aus der Fraktion ausgetretene Karl Friedrich Kühme den Fraktionsvorsitzenden Bernhard Simon angriff und ihm vorwarf, er habe sich mit Hilfe der Grünen zum Vorsitzenden der VRR-Verbandsversammlung wählen lassen und dafür im Gegenzug die Einführung des Sozialtickets zugesichert, wohl wissend, dass dies in Wuppertal nicht erwünscht ist, schlugen die Wellen hoch.
Kühme ging noch weiter und erklärte, dies habe Simon nur gemacht, um finanzielle Vorteile aufgrund der Sitzungsgelder zu erzielen. Simon wiederum drohte, einen Rechtsanwalt einzuschalten, weil der Vorsitz der Versammlung ja keine höheren Sitzungsgelder mit sich bringe.
Einen Rechtsanwalt hatte Simon dann doch nicht eingeschaltet. Das mag wohl damit zu tun haben, dass die Sitzung als Vorsitzender nicht extra vergütet wird — aber Simon als Vorsitzender zusätzliche Sitzungen zu absolvieren hat, für die es dann auch jeweils Sitzungsgeld gibt.
Allein diese Kuhhandel-Diskussion hat der CDU massiv geschadet. Sämtliche Bemühungen von Oberbürgermeister Peter Jung und CDU-Chef Jürgen Hardt, Ruhe in die Reihen der Kombattanten zu bringen, scheiterte an der Weigerung der Rebellen, mit Simon weiterzuarbeiten.
Die Frage, ob die Kasse der Fraktion korrekt geführt wurde, war der Anlass für die Spaltung der CDU-Fraktion. Das sagt Vermittler Wolfgang Bosbach eindeutig in seinem Vermittlungsvorschlag, der der WZ vorliegt. Wie hilflos die verbleibende CDU-Fraktion auf die Vorwürfe reagierte, belegt, dass Vize-Fraktionschef Michael Müller ankündigte, das Rechnungsprüfungsamt werde die CDU-Kasse prüfen. Dieses Amt ist aber gar nicht zuständig. Auf Vorschlag von Bosbach werden jetzt unabhängige Wirtschaftsprüfer die CDU-Kassen kontrollieren.
Bosbach muss sich während der Vermittlung massiv über Simons Verhalten gewundert haben: Er schreibt in seinem Vermittlungsvorschlag, dass der Schatzmeister die Kassengeschäfte führt und daher jederzeit Einblick in die Unterlagen nehmen darf. Das hatte Simon dem Fraktionsschatzmeister Dirk Jaschinsky verboten — und der ließ sich das auch noch gefallen.
Simon war einfach nicht mehr zu halten. Der erfahrene Bosbach wusste das. Er schlug daher vor, dass Simon sein Amt schon Ende des Jahres zur Verfügung stellt. Damit konnte er sich nicht durchsetzen. Kein Wunder: Oberbürgermeister Peter Jung, Kämmerer Johannes Slawig, CDU-Chef Jürgen Hardt mussten während der langen Nachtsitzung im Rathaus massiv auf Simon einwirken, damit dieser überhaupt seinen Rückzug akzeptierte. Hatte Simon den Bezug zur Realität verloren?
Er soll gefordert haben, zum Bürgermeister gewählt zu werden, wenn er schon den Fraktionsvorsitz abgebe. Nach Recherchen der WZ führte dies zu sehr heftigen Reaktionen der Beteiligten: Es soll lauten Protest, gar Schreie gegeben haben.
Offen bleibt die Frage, weshalb die restliche CDU-Fraktion kein Problem damit hat, dass der Schatzmeister nicht in die Bücher blicken darf oder dass der Fraktionschef beim VRR für ein Sozialticket stimmt — und dies in seiner Heimatstadt ablehnt. Am kooperativen Führungsstil lag es mit Sicherheit nicht; in der Stadt kursierte das geflügelte Wort: Man kann eine Fraktion nicht wie auf dem Pavianfelsen führen.
Am Freitagabend wird sich zeigen, ob die Basis diese Beschädigung ihrer Partei widerspruchslos hin nimmt. Und es wird die wohl wichtigste Frage angesprochen werden: Wie soll der Fraktionschef, dessen Abgang besiegelt ist, die CDU-Fraktion durch die wohl seit Jahren schwierigsten Verhandlungen für Wuppertal führen? Die Stadt muss noch einmal 50 Millionen Euro sparen. Das werden harte Debatten.
Pikant: Simon wird all seine anderen Mandate, Beirats- und Aufsichtsratsposten behalten, auch wenn er kein Fraktionsvorsitzender mehr ist. Dies hat ihm Bosbach in seinem Vorschlag schriftlich zugesichert. Sind diese lukrativ? Offenbar. Simon soll jährlich zwischen 30 000 und 50 000 Euro an Aufwandsentschädigungen erhalten.