Nachhaltigkeit mit sozialer Komponente: Repair-Cafés helfen, Müll zu vermeiden – Geselligkeit gibt‘s gratis Viel zu schade für die Tonne – reparieren statt wegwerfen

Die niederländische Umweltjournalistin Martine Postma gründete 2009 das erste Repair-Café. Die Idee dahinter ist einfach: reparieren statt wegwerfen. Und möglichst mit Unterstützung anderer Personen die Gerätschaften selbst wieder fit machen.

Felix ist dabei, einen alten Campingkocher zu schweißen, der versehentlich von einem Fußball getroffen wurde.

Foto: Tanja Bamme

Begeistert von dem Gedanken gründete Mathias Wunderlich 2012 das erste Repair-Café an einer Schule in der Stadt Haan. „Ich habe dort eine Technik-AG geleitet und gleichzeitig immer wieder Kinder der Nachmittagsbetreuung bei mir im Kurs gehabt“, erinnert sich der Pädagoge, der die Schüler sinnvoll beschäftigen wollte. Und so sind zunächst defekte Stühle repariert worden. „Wir haben als erste Aktion aus neun kaputten Stühlen sechs ganze Stühle gebastelt. Danach hat uns das Reparierfieber gepackt“, erzählt er.

Im selben Jahr wurde das zunächst intern genutzte Repair-Café auch für die Bürgerschaft geöffnet. Schnell sprach sich herum, dass die Schüler gemeinsam mit Lehrkräften und Eltern Anleitungen bieten, wie defekte Kaffeemaschinen, Wasserkocher oder Haartrockner wieder funktionsfähig gemacht werden können. „Der Bedarf war groß, das haben wir schnell gemerkt“, sagt Wunderlich, der 2015 an eine Schule nach Wülfrath wechselte und das Konzept dort einfach adaptierte. „Seit 2016 betreibt eine Elterngruppe sowie eine Handvoll engagierter Schüler das Repair-Café in dem sogenannten Makerspace der Schule. Dort können Privatpersonen ein Mal im Monat hinkommen und mit uns gemeinsam ihre Geräte reparieren.“

Besucher sollen aktiv mitarbeiten

Kaffeevollautomaten sind besonders störanfällig und finden sich beispielsweise recht häufig auf den Werkbänken des Cafés wieder. „Die Automaten sind sehr oft stark verdreckt und verölt. Wir nehmen sie gemeinsam mit den Eigentümern auseinander und reinigen sie. Meist reicht das schon aus“, erklärt Mieke (14), die sich gerne mit den Kleinteilen auseinandersetzt. „Manchmal müssen die Maschinen auch einfach nur entkalkt werden.“

Wichtig ist es Mathias Wunderlich, dass die Besucher auch aktiv mitwerkeln. „Da stützen wir uns auf das Montessori-Prinzip, das Hilfe zur Selbsthilfe vorsieht. In unseren Reihen lassen sich ganz unterschiedliche Fachleute finden, die Hilfestellungen bieten können. Aber reparieren soll es am Ende der Besitzer selbst“, sagt er.

Neben einem rotierenden Kreis an Eltern haben sich über die Jahre auch drei Rentner in die Café-Gemeinschaft integriert. „Die sind uns quasi zugelaufen“, sagt Wunderlich und freut sich über die erfahrene Unterstützung. Die Geselligkeit kommt bei den Café-Öffnungszeiten schließlich nicht zu kurz. Auch ein Kuchenbuffet steht allen Teilnehmern zur Verfügung. Bereitgestellt von backfreudigen Eltern. Für die Schüler ist der wuselige Betrieb ein echter Monatshöhepunkt. „Es macht wirklich Spaß und wir sammeln gleichzeitig technisches Wissen“, sagt Tom (14), der sich ein ganz besonderes Projekt ausgedacht hat. Gemeinsam mit weiteren Freunden baut er einen alten, elektrischen Rollator um. „Ich bin gerade dabei, den Unterboden zu beleuchten. Wir haben den Rollator schon tiefer gelegt, die Lenkstange verkürzt und einen Sessel darauf montiert. Jetzt müssen noch die LED-Streifen unter das Gefährt, mit dem wir in Zukunft bei flotten 15 Stundenkilometern über den Schulhof düsen wollen“, erklärt er.

Ein Repair-Café ist
auch eine Bildungseinrichtung

Nur wenige Meter entfernt ist Felix (16) gerade dabei, einen alten Campingkocher wieder einsatzbereit zu machen. „Da ist ein Fußball drauf geflogen, ich schweiße jetzt die Haltestangen wieder zusammen“, erläutert der Schüler, der mit Handschuhen und Sicherheitsmaske arbeitet. Den Schülern möglichst viel Freiheit für die Entfaltung der Kreativität zu geben, ist für Mathias Wunderlich unverzichtbar. „Wir sind hier natürlich auch eine Bildungseinrichtung und wollen den Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass es wichtig ist, Sachen zu erhalten. Nachhaltigkeit spielt dabei eine wesentliche Rolle.“ Das Repair-Café an der Freien Aktiven Schule in Wülfrath ist ein Mal im Monat jeweils freitags in der Zeit von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Termine lassen sich auf der Schulhomepage (fasw.de) nachlesen.

Vielfalt der Repair-Cafés

Repair-Cafés lassen sich mittlerweile im gesamten Bundesgebiet finden. Mehr als 500 Einrichtungen gibt es schon, die meist von ehrenamtlich organisierten Gruppen betrieben werden. Unser Nachbarland ist trotzdem noch immer echter Vorreiter in Sachen „reparieren statt entsorgen“: Im Jahr 2020 gab es bereits mehr als 2000 Repair-Cafés im kleinen Königreich Niederlande. Wer selbst ein Repair-Café ins Leben rufen will, kann sich auf der Homepage der Stiftung Anstiftung (anstiftung.de) kostenloses Informationsmaterial herunterladen. Die Stiftung koordiniert auch die Netzwerkarbeit der Cafés und sitzt am „Runden Tisch Reparatur“ des Umweltbundesamts und des Bundesumweltministeriums.