Strumpffachgeschäft Wegner Nächstes Wuppertaler Traditions-Geschäft schließt
Wuppertal · Das Strumpffachgeschäft Wegner am Wall beendet nach 20 Jahren seine Tätigkeit – für die Besitzer geht es in den Ruhestand.
Die ohnehin nicht mehr allzu bunte Palette des inhabergeführten Elberfelder Einzelhandels ist zum Monatsende um einen weiteren Farbtupfer ärmer: Das Strumpffachgeschäft Wegner auf dem Wall 34 schließt Ende Februar, und damit geht eine mehr als zwanzigjährige Unternehmensgeschichte zu Ende.
Am 1. Januar 2005 hatte Birgit Wegner die Geschäftsräume zwischen den einstigen Textilhäusern Fritzsche und „Koch am Wall“ bezogen und blieb damit weiter in ihrem Fachgebiet tätig. Hatte sie doch bei „Koch am Wall“, das Ende 2004 seine Tore geschlossen hatte, mehrere Abteilungen geführt und damit den Vorteil, dass sie einen Teil ihrer Stammkundschaft nebenan gleich weiter beraten und bedienen konnte. „Außerdem hatte ich den Vorteil, dass ich die Vertreter bis hinauf zur Firmenleitung bei unseren Lieferanten ‚Falke‘ und ‚Hudson Kunert‘ kannte und nach wie vor kenne“, sagt Birgit Wegner, die in ihren einladenden Geschäftsräumen von ihrem Ehemann Olaf unterstützt wurde, der seinerseits ebenfalls viele Jahre bei „Koch am Wall“ tätig gewesen war.
Zu Spitzenzeiten gab es hier Tausende verschiedene Artikel
Beraten und guter Service gehörten weiterhin zu ihren Erfolgsgeheimnissen, denn die Kundschaft wusste fachliche und dabei freundliche Bedienung zu schätzen, und das Geschäft, in dem zu Spitzenzeiten zwischen 13 000 und 15 000 verschiedene Artikel angeboten wurden, lief ausgezeichnet. Und wer das Strumpffachgeschäft Wegner betrat, wusste, dass er neben kundiger Beratung auch vorzügliche Qualität erwerben würde. „Ich wurde einmal von einer jungen Dame, die mit ihrer Examensarbeit beschäftigt war, nach Socken zu 99 Cent befragt. Ich habe daraufhin erklärt, dass die Baumwolle wachsen musste, geerntet worden und zu Fäden verarbeitet, gefärbt, gesponnen und zu Socken verarbeitet worden war. Dann wurde das Endprodukt in den Handel geliefert, der mit dem Verkauf auch etwas verdienen wollte. Da erübrigt sich die Frage nach der Qualität. Die ist bei einem Preis von 99 Cent wohl kaum möglich“, schildert die Inhaberin drastisch die Geschichte von Billigprodukten. Und fügt glaubwürdig hinzu: „Chemie oder Ware aus China, die womöglich auch Juckreiz verursacht, kommt mir nicht ins Haus.“
Die Kundschaft konnte also davon ausgehen, dass die zarten Damenstrümpfe, die Strumpfhosen, die Socken, warm oder leicht, die gemütliche Fußbekleidung mit Noppen für Zuhause von erster Qualität und entsprechend robust waren und auch jetzt noch sind. Nach wie vor herrscht reger Geschäftsbetrieb am Wall 34, beschleunigt natürlich auch durch die „20 Prozent auf alles“ die jetzt zum Ausverkauf als Rabatt gewährt werden.
Wobei anzumerken ist, dass nicht dumpfe Resignation oder mangelnder Ertrag die Anlässe für die Schließung sind. „Wir gehen gemeinsam in Rente“, sagt Olaf Wegner, der zusammen mit seiner Frau den Entschluss zur Schließung zwischen Weihnachten und Neujahr 2024 gefasst hat.
„Wir wollen mehr für unsere Familie, vor allem für unsere Zwillingsenkelkinder da sein,“ begründet Birgit Wegner den Abschied von ihrer Kundschaft.
Und mit der verbindet die Wegners teilweise ein freundschaftliches Verhältnis, was auch in den Beurteilungen im Internet ebenso zum Ausdruck kommt wie in den Gesprächen vor Ort. „Beratung und Qualität sind die Gründe, weshalb ich immer wieder hier eingekauft habe“, sagt Sabine Haase, die sich reichlich mit modischer Fußbekleidung eingedeckt hat. Und Dagmar Rehrmann hat nicht der Rabatt, sondern das Bewusstsein von Fachleuten bedient zu werden, ins Geschäft geführt. „Hier weiß man, dass alle Produkte beste Qualität sind.“
Die gute persönliche Verbindung zur Kundschaft hatte auch nicht durch die Pandemie gelitten, die auch den Wegners, wie allen Geschäftsinhabern, schwer zu schaffen machte.
„Da habe ich telefonisch bestellte Ware auch schonmal mit dem Fahrrad ausgeliefert“, erinnert sich Olaf Wegner an die trübselige Zeit der geschlossenen Läden, der Masken und des Kontaktverbots.
Birgit Wegner hat sich mit einem geradezu liebevollen Brief von der Stammkundschaft verabschiedet und schreibt darin: „Nach vielen wundervollen und unvergesslichen Jahren, in denen ich mit Ihnen gemeinsam meine Leidenschaft für erstklassige Strümpfe teilen durfte, ist es nun an der Zeit, mich in den Ruhestand zu verabschieden.“ Die Inhaberin spricht zudem die Hoffnung aus, dass sich die Kundinnen und Kunden auch weiterhin für Qualität, Eleganz und Komfort entscheiden mögen und empfiehlt dabei ihren langjährigen Geschäftspartner.
Viele Traditionshäuser mussten in den letzten 20 Jahren schließen
Wenn sie nach mehr als 20 Jahren zurückblickt, denkt sie wehmütig an das einst pralle Geschäftsleben in der Elberfelder City mit dem Kaufhof, Hertie, Cramer & Meermann, Cloppenburg und Pieckenecker (beides edle Herren-Ausstatter), an die Kaufhalle und Woolworth, an das Damenmodegeschäft Müggenburg direkt gegenüber ihren Geschäftsräumen, an das Feinkostgeschäft Brüssermann, die alle verschwunden sind. Und versetzt sich auch in die am Bahnhof Ankommenden, die dann auf die zerklüftete Poststraße blicken.
„Trotzdem möchte ich nicht klagen: Hier bei uns im Geschäft war immer so etwas wie eine heile Welt. Und deshalb kann ich aus vollem Herzen sagen: Es hat mir immer Freude gemacht, mit unseren angenehmen Kunden zu sprechen, sie zu beraten und zu bedienen.“