Neuer Prozess um angeblichen Missbrauch einer Praktikantin

Ehemaliger Jugendgerichtshelfer (61) bestreitet die Vorwürfe.

Wuppertal. Im Oktober 2009 wurde ein heute 61 Jahre alter Mann vom Amtsgericht wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Das Prekäre an dem Fall: Bei dem Verurteilten handelt es sich um den langjährigen Mitarbeiter der städtischen Jugendgerichtshilfe. Mehr als 30 Jahre arbeitete er mit straffällig gewordenen Jugendlichen, begleitete deren Prozesse. Der Angeklagte hatte vor zwei Jahren bis zum Schluss seine Unschuld beteuert und Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt. Die Neuauflage des Prozesses begann gestern vor dem Landgericht.

Dabei wurden die Vorwürfe aus dem erstinstanzlichen Urteil neu erhoben: Im Rahmen einer Projektwoche einer Gesamtschule hatte ein damals 13 Jahre altes Mädchen im Oktober 2008 ein zweitägiges Praktikum bei dem Jugendgerichtshelfer angetreten. Die beiden sahen sich an diesem Tag zum ersten Mal, denn das Mädchen hatte einen Vorbesprechungstermin zwei Mal platzen lassen. Trotzdem soll sich der Angeklagte dem Mädchen laut Anklage schnell genähert haben, bereits am ersten Tag soll es zu Anzüglichkeiten gekommen sein. Der 61-Jährige soll versucht haben, das Mädchen auf seinen Schoß zu ziehen und ihr sinngemäß ins Ohr geflüstert haben, dass er „sie lieb habe“. Küsse auf die Stirn und Wange seien gefolgt. Außerdem soll er sie am Rücken gestreichelt haben.

Dem zweiten Tag des Praktikums soll das Mädchen fern geblieben sein. Der Angeklagte schickte ihr noch eine Email, versuchte bei ihr zu Hause anzurufen. Auch mit dem Lehrer des Mädchens sprach er nach dem Praktikum, erkundigte sich nach dem Mädchen.

Nachstellen oder bloße Sorge? „Das Mädchen ist einfach nicht zum zweiten Tag des Praktikums erschienen und die Mutter hat mir nur gesagt, dass es ihr nicht gut gehe. Da wollte ich mich erkundigen“, beschrieb der 61-Jährige gestern seine Intention. Die Staatsanwaltschaft deutete dieses Verhalten vor zwei Jahren anders. An der Gesamtschule wurde sogar ein Notfallplan für den Fall eingerichtet, dass der Jugendgerichtshelfer seine Ex-Praktikantin in der Schule aufsuchen würde. Fakt ist: Angebliche Liebes-Emails hat es nie gegeben. Die einzige Email des Angeklagten an das Mädchen nach dem Praktikum klingt besorgt, ist aber in einem eher sachlichen Ton verfasst.

Wie schon vor zwei Jahren bestritt der Angeklagte gestern die Vorwürfe. „Es kann sein, dass ich den Arm um sie gelegt habe“, sagte er. Dies sei aber nur geschehen, um Distanz abzubauen — nicht in sexueller Absicht. Er berichtete auch, wie der Prozess sein Leben verändert hätte: „Wenn ich das Urteil höre, kommt alles wieder hoch“, sagte der 61-Jährige, während er mit den Tränen kämpfte.

Der langjährige Jugendgerichtshelfer ist mittlerweile in Pension. Er hat nach der Verurteilung vor zwei Jahren nie wieder in seinem Beruf gearbeitet. Das Mädchen wurde gestern unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Für das Berufungsverfahren sind insgesamt fünf Verhandlungstage geplant.