Nicht jede Geschäftsidee funktioniert online
Kolumnist Uwe Becker über seine Knopf-Oase und andere Dienstleister.
Das Online-Bestellportal Amazon steht immer wieder in der Kritik. Sie zahlen kaum Steuern, beuten ihre Angestellten aus und sind mitverantwortlich für das Sterben der Buchhandlungen. Ich erinnere mich, dass ich in den 80er Jahren viele Bücher bei „Zweitausendeins“ bestellt habe, ein eher linker Verlag, deren Bücher man nicht im Buchhandel kaufen konnte. Alle vier Wochen bekam man das „Merkheft“ per Post zugestellt, ein kleiner Katalog, aus dem man Bücher und Schallplatten per Post bestellen konnte.
Im Grunde haben diese alternativen Verlagsgründer eine gehörige Portion Mitschuld an der Krise des Buchhandels. Wer weiß, vielleicht wurden die Gründer von Amazon auch direkt durch den Frankfurter Verlag inspiriert. Das ist eine unschöne Vorstellung, war doch „Zweitausendeins“ ein bedeutender Verlag der 68er-Bewegung.
Aber inzwischen kann man ja alles online bestellen, nicht nur Bücher und Schallplatten, auch Rahmspinat, Kartoffeln und Hühnereier. Ich habe übrigens eine wunderbare Idee für ein Einzelhandelsgeschäft hier in Unterbarmen. Den Namen für mein Geschäft habe ich mir auch schon ausgedacht, es soll „Uwe’s kleine Knopf-Oase“ heißen. Der Deppenapostroph ist absichtlich von mir eingesetzt worden, weil es mir gefällt. Im Schaufenster meines Ladens steht ein großer Umzugskarton, in dem sich gut 200 000 Knöpfe befinden - alles Einzelstücke. Wenn ein Kunde einen bestimmten Knopf sucht, wird der Karton mit allen Knöpfen ausgeschüttet, und auf dem Boden kniend kann die Suche beginnen.
Dazu hört man Radiomusik und bekommt einen Latte Macchiato oder einen Tee mit Minze. Wenn man den passenden Knopf gefunden hat oder auch nicht, werden alle Knöpfe mit einer kleinen Schaufel wieder in den Karton zurückbefördert. Es dauert natürlich oft Stunden, und leben kann man von diesem Laden nicht, denn ein Knopf kostet bei mir auch nur 50 Cent. Ich könnte mir vorstellen, so einen Laden wirklich an den Start zu bringen, da ich durch meine Tätigkeit als Kolumnist finanziell sehr gut aufgestellt bin, und den Knopfverkauf als Spaß, Freude und Hobby betrachten würde.
Am besten gefällt mir natürlich immer noch der Name des Geschäfts: „Uwe’s kleine Knopf-Oase“ — wunderschön. Diese Geschäftsidee funktioniert natürlich nicht online, da man im Internet keinen großen Karton mit Knöpfen einfach so auskippen kann.
Aber auch andere Dinge funktionieren weiterhin nur offline. Als Beispiel möchte ich das Frisörhandwerk nennen, da muss man schon zum Dienstleister hin oder er kommt zu einem nach Hause. Amazon kürzt vielleicht dein Guthaben auf deinem Konto, aber nicht deine Haare. Als ich klein war, kam unser Frisör alle vier Wochen zu uns nach Hause. „Onkel Peter“ war Pole, der nach dem Krieg auf dem Ölberg hängengeblieben war. Er schnitt zuerst meinem Vater, dann meinem Bruder und zuletzt mir die Haare. Anschließend aß er mit uns zusammen Abendbrot.
Irgendwann schwänzten mein Bruder und ich die Termine, weil wir langes Haar tragen wollten. „Onkel Peter“ kam dann auch bald nicht mehr, da es sich für ihn nicht lohnte, wenn er nur meinem Vater die Haare schneiden konnte. Kurz danach hatte unser Papa aber auch eh eine Glatze.