Offen gesagt Parallelwelten
An dieser Stelle weist die Westdeutsche Zeitung gern und aus voller Überzeugung darauf hin, dass Wuppertal zu den Perlen unter den 20 größten deutschen Städten zählt. Angesichts von Ranglistenkonkurrenz wie Köln, Essen, Bochum, Dortmund und Duisburg mag das keine große Leistung sein.
Aber Wuppertal hält im Wettbewerb „Lebensqualität und Attraktivität“ auch mit Stuttgart oder Nürnberg ganz gut mit. Es ist halt eine schöne Stadt, dieses Wuppertal.
Es ist wichtig, von Zeit zu Zeit darauf hinzuweisen, weil die frohe Kunde im teils tristen Alltag unterzugehen droht. Denn Wuppertal ist auch eine widerspenstige Geliebte. An vielen Ecken nagt der Zerfall an zum Niederknien schönen Fassaden. Jedes Jahr ist ein Kampf um genügend Geld für Kunst und Kultur. Wenn es um Kindergartenplätze geht oder um den Zustand von Straßen und manchen Wohnquartieren, bekommt das schöne Antlitz der Stadt Falten und Runzeln.
Wuppertals Stadtkämmerer Johannes Slawig (CDU) war dieser Tage wieder einmal in Berlin, um für einen Schuldenschnitt zu werben. Er will wie Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) und viele andere Bürgermeister und Kämmerer, dass Wuppertal und viele andere finanziell Not leidende Städte vom Bund und den Bundesländern von ihren milliardenschweren Krediten befreit werden. Denn wo kein Geld ist, da ist zu wenig Infrastruktur, wo die fehlt, fehlen Unternehmen, wo Unternehmen fehlen, fehlen Arbeitsplätze, wo Arbeit fehlt, herrscht Armut. Armut wird größtenteils von Städten finanziert, weil Bund und Länder das so bestimmen. Ohne Geld von Bund und Ländern gibt es aus diesem Teufelskreis kein Entrinnen.
Städte wie Wuppertal bewegen sich in einer eigenen Welt. Sie schneiden die Umlaufbahnen von Kommunen wie Stuttgart, Münster, Monheim am Rhein, Dresden, Leipzig oder gar Hamburg schon sehr lange nicht mehr. Und die Distanz zum Schnittpunkt wird immer größer. Das bedeutet, dass die armen Kommunen den Anschluss an die reichen verlieren. Es führt dazu, dass Städte wie Monheim nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld und ernsthaft über einen künstlichen Geysir in einem Kreisverkehr nachgedacht haben. Düsseldorf leistet sich einen Kilometer U-Bahn für knapp eine Milliarde Euro. Dass sich auf den Straßen die Autos dennoch stauen, weil die U-Bahn wohl doch keine Alternative ist, juckt dort niemanden. Wer hat, der hat. Das eigentlich notorisch bettelarme Berlin lässt sich vom Bund die Rekonstruktion des Schlosses schenken, auf dass das Humboldt-Zentrum eine Heimat haben möge. Was es dort für wie viele Millionen Euro im Jahr so macht, ist noch offen, während Wuppertal bei der Bundesregierung um ein bisschen Betriebskostenzuschuss zum Tanzzentrum bettelt, bisher leider ohne durchschlagenden Erfolg.
Es gehört zu den Aufgaben von Regionalzeitungen, über die Haushaltslage der Gemeinde zu berichten, in der sie erscheinen. Das macht die WZ selbstverständlich ebenso - nicht nur in Wuppertal, sondern beispielsweise auch in Düsseldorf. Dort hat die Kämmerin zuletzt über die Kassenlage der Stadt berichtet. Prognostiziert steht für dieses Jahr unter dem Strich die Zahl 23 Millionen Euro. Sie ist schwarz, ziert also die schöne Seite der Bilanz. In Wuppertal, Krefeld. Pirmasens oder Saarlouis hätten die Zeitungen damit einige Tage ihre erste Lokalseite gefüllt. Was lässt sich mit so viel Geld nicht alles machen?
Den Redaktionskollegen in der Landeshauptstadt war die Nachricht circa 50 Zeilen wert. Sie wurde auf der zweiten Lokalseite unten platziert. Für Düsseldorfer Verhältnisse steht sie dort richtig. Aber auch dort zeigt sie, wie unterschiedlich die Gegebenheiten von Kommunen sein können, die kaum 30 Kilometer weit voneinander entfernt
sind. Parallel-
welten eben.