Kommentar Die Uhren ticken anders
Wuppertal · An diesem Wochenende werden nicht nur die Uhren umgestellt, sondern auch in der politischen Landschaft könnte es ab Montag an so manchen Stellen anders ticken. Da muss man gar nicht nach Hessen oder Berlin schauen, eine neue Zeit bricht in Wuppertal an, wo nach dem Bruch der Großen Kooperation von SPD und CDU und mit dem Ende der Herbstferien die Suche nach neuen Mehrheiten beginnt.
Dass nach 13 Jahren der gesicherten Mehrheiten im Rathaus der Wandel noch nicht in allen politischen Köpfen in seiner vollen Tragweite angekommen ist, zeigt die Kritik des Bundestagsabgeordneten Helge Lindh (SPD) an dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Michael Müller. Lindh wirft der CDU vor, Wahlkampf auf Kosten des Pina-Bausch-Zentrums führen zu wollen. Nun muss man wissen, dass Helge Lindh Befürworter des Bausch-Zentrums ist, und in diesem Punkt der CDU näher steht als manchem Parteigenossen. Dass er Koalitionsdisziplin von der CDU fordert, die gerade den Kooperationsvertrag aufgekündigt hat, ist ein Reflex vergangener Tage.
Wer mit wem und ob überhaupt in den kommenden Wochen Kooperationsverträge vereinbaren wird, ist die Frage, die ab Montag in den Fraktionszimmern diskutiert wird. Die CDU strebt an, mit den Grünen und der FDP haushaltstragende Mehrheiten zu bilden. Die FDP ist bereit, Verantwortung zu tragen, die Grünen sind bereit, Gespräche zu führen. Das alles klingt nicht gerade so, als würden die Stifte zur Unterzeichnung des Koop-Vertrags schon bereitliegen. Eine Jamaika-Koalition wäre aber auch ohne Vertrag möglich. Dann müssten Mehrheiten bei Bedarf gebündelt werden.
Die Schaffung von Zweckbündnissen kann aber sehr kompliziert sein. Beim Pina-Bausch-Zentrum gilt die CDU als treibende Kraft, wäre offensichtlich bereit, die von Bund und Land zur Verfügung gestellten Millionen für den Umbau des Schauspielhauses einzusetzen, ohne dass die Finanzierung des späteren Betriebs gesichert ist. Genau dies wird bei den Grünen skeptisch gesehen. Sie weisen auf die „offenen Fragen“ und deren Konsequenzen beim Umbau des Döppersbergs hin und warnen, vor der Klärung der Übernahme der Betriebskosten in Höhe von zehn Millionen Euro pro Jahr Risiken einzugehen. Jamaika liegt also noch in weiter Ferne.
Neue Mehrheiten könnten sich auch beim Thema Seilbahn bilden. Zwar hat offenbar keine der Ratsparteien die Absicht, mit „Nein“ zu stimmen, sollte es zu einem Beschluss über die Einleitung eines kostenaufwendigen Planfeststellungsverfahren kommen, aber CDU und FDP neigen dazu, die Entscheidung über das Seilbahnprojekt in die Hände der Bürger zu legen. Den Ratsbürgerentscheid könnte eine Mehrheit mit Stimmen von ganz links bis ganz rechts beschließen.
Die SPD könnte aber auch die Fühler nach den Grünen und den Linken ausstrecken, um Projekte des SPD-Dezernenten Stefan Kühn im großen Fachbereich Soziales/Schulen/Kitas durchzusetzen. Allerdings hat die Zuneigung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Klaus Jürgen Reese für die Linken ihre Grenzen. Und auch das Verhältnis von Marc Schulz, Fraktionssprecher der Grünen, zu den Sozialdemokraten soll punktuell schon besser gewesen sein. Wie wäre es also mit einer roten Ampel? Auch dieses Konstrukt zeigt schon vorab Grenzen seiner Belastbarkeit. Gerade die FDP hat wie zuletzt auch die CDU immer wieder Oberbürgermeister Andreas Mucke „Ankündigungspolitik“ vorgeworfen. Ans Eingemachte geht es, wenn sich die FDP beim Thema Sicherheit oder in der Diskussion über Schulformen wie Gesamtschule und Gymnasium deutlich rechts vom linken Flügel der Wuppertaler Sozialdemokraten positioniert. Da tun sich Gräben auf.
„Weitermachen wie bisher – das geht nicht.“ Diesen Satz werden wir am Sonntag aus einigen Parteizentralen hören. In Wuppertal wird sich etwas ändern müssen, denn bis zur Kommunalwahl 2020 darf die Stadt nicht ohne politischen Kurs vor sich hin dämmern. Der Stadtrat wird Entscheidungen treffen müssen. Unter anderen Vorzeichen als zu den Zeiten der GroKo – aber das muss ja kein Nachteil sein. Der Umbau des Schauspielhauses zum Pina-Bausch-Zentrum, die Entscheidung über die Seilbahn, die Buga, die Fortschreibung des Haushaltssanierungsplans, das FOC in der Bahndirektion, die Standortsuche für die BHC-Arena – bei allen Beschränkungen aufgrund der finanziellen Engpässe gibt es für diesen Stadtrat noch große Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch Entscheidungszwänge. Bis zur nächsten Kommunalwahl müssen die demokratischen Parteien im Rat unter Beweis stellen, dass sie die Kraft haben, Kompromisse zu finden und die Stadt zu gestalten.