Ernährung Warum die Wuppertaler immer dicker werden

Analyse Die Bürger sind heute im Schnitt drei Kilo schwerer als noch im Jahr 2005.

Da kann der einzelne noch so sehr den Gang auf die Waage scheuen. Das statistische Bundesamt verrät den Wuppertalern ganz unverblümt, dass sie kollektiv zugenommen haben. Während die Bürger im Tal 2005 noch im Schnitt 74,2 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,71 Meter gewogen haben, bringen sie nach den Daten von IT.NRW heute 77 Kilo bei einer Größe von 1,72 Meter auf die Waage. Die falsche Schlussfolgerung: Die Wuppertaler wachsen zu langsam.

Die Gewichtszunahme verteilt sich - dem Bundestrend folgend - nicht auf viele Hüften gleichmäßig, sondern vor allem auf Fettleibige. Diese Gruppe wird größer. 2005 waren 12,4 Prozent der Wuppertaler ihrem Body-Mass-Index (BMI) nach übergewichtig. Diese Zahl ist den Daten mehrerer Mikrozensus nach inzwischen auf 14,7 gestiegen und lag 2013 sogar schon bei 16 Prozent. Massiv adipös waren vor 13 Jahren noch 0,9 Prozent, aktuell liegt der Wert bei 1,1 Prozent.

Dr. Till Hasenberg, Chefarzt des neuen Adipositaszentrums am Helios-Klinikum in Barmen, kann den Trend bestätigen. „Es ist sehr erschreckend. Vor allem werden die adipösen Patienten immer jünger“, sagt Hasenberg. Die Gründe für die zunehmende Fettleibigkeit sei in unserer Lebensweise zu finden. „Früher gab es viel mehr Erwerbstätigkeit, bei der sich viel bewegt wurde“, sagt Hasenberg mit Blick auf die Bevölkerung aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Rechnung ist einfach: Wer den ganzen Tag auf dem Feld arbeitet, kann mehr Kalorien zu sich nehmen als ein Mitarbeiter, der im Alltag nur seinen Bürostuhl bewegt.

Unter diesen Voraussetzungen kann, so Hasenberg, Fettleibigkeit schleichend einsetzen. „Manche glauben, dass adipöse Menschen riesige Mengen an Nahrungen in sich hineinschaufeln. Das muss nicht sein“, sagt der Mediziner. Zwei kleine Schokoriegel am Tag mehr oder weniger entsprechen schon einem Tagesplus von rund 200 Kalorien. Wer diese einmalig zu sich nimmt, merkt nichts - anders sieht das bei einem systematischen Konsum aus. Die Folgen behandelt Hasenberg: Diabetes, Bluthochdruck, Fettleber, Gelenkschäden, Depressionen. Herausforderungen für das Gesundheitssystem.

Da in Zeiten von 24-Stunden-Tanke, Ein-Euro-Döner und Lieferservice kalorienreiche Nahrung keine Grenzen der Verfügbarkeit mehr kennt, passiert gute Ernährung nicht mehr zufällig, sondern muss erlernt werden.

Schon am Schulkiosk
kann viel falsch laufen

Die Verbraucherzentrale NRW hat mit ihrer Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung NRW ein Auge auf den Ernährungsalltag in den Schulpausen. Gerade an Schulkiosken kann viel falsch gemacht werden, weiß Kirstin Gembalies-Wrobel. Während in der Mensa oftmals auf ausgewogene Ernährung geachtet wird, gehen in den Furtterluken nicht selten Schokoriegel und Chips über die Theke. Gembalies-Wrobel sagt: „Wir empfehlen, dass Schulen ein Gremium für den Schulkiosk bilden.“ Dort sollten Schüler, Eltern, Lehrer und Betreiber gemeinsam bestimmen, wie das Angebot aussieht - nicht allein der Appetit des Sechstklässlers. So werde laut Gembalies-Wrobel bereits an manchen Schulen an guten Lösungen gearbeitet. Der Schlüssel ist, schnelles Essen anzubieten, das nicht ungesund ist: ein Couscous-Salat, ein Müslibecher. Oftmals lassen sich solche Klimmzüge aber nur machen, wenn Schüler mitziehen. Vor und hinter der Theke.