Bildungsweg Ohne Abitur ins Studium - so hat’s in Wuppertal geklappt

Wuppertal · Nina Blume qualifizierte sich über den Beruf für ihr Studium in Wuppertal.

Nina Blume wollte eigentlich Musical-Darstellerin werden. Doch der Traum platzte.

Foto: Nina Blume

„Ich wollte Musical-Darstellerin werden“, sagt die 27-jährige Oldenburgerin Nina Blume. „Mein Vater ist seit mehr als 40 Jahren Musiker und hat mich als Kind immer mal wieder mitgenommen, wenn er Auftritte hatte. Das fand ich ziemlich cool“, berichtet sie weiter.

Irgendwann spielt sie dann tatsächlich selbst in einer Musicalgruppe für Laien und entscheidet sich dazu, lateinamerikanische Tänze als Leistungssport zu betreiben. Die vielen Trainingseinheiten pro Woche bringen irgendwann auch schulische Probleme mit sich: „Ich bin nach der 11. Klasse abgegangen und habe somit den erweiterten Realschulabschluss. Ich war nicht gut in der Schule.“ Für die damalige Schülerin war das Tanzen, der Leistungssport, wichtiger. Statt Hausaufgaben zu erledigen, ging sie zum Training: „Dementsprechend schlecht sahen meine Noten aus. Ich hatte Italienisch und Englisch als Leistungskurs und in Italienisch waren in der Oberstufe nur noch wenige Leute. Alle außer mir hatten einen Auslandsaufenthalt und dementsprechend hoch war das Niveau. Da konnte ich nicht mithalten.“

Nach dem Schulabgang hat Blume zunächst Musicalschulen im Fokus, erkennt jedoch ziemlich schnell, dass die Plätze dort zum einen rar gesät und zum anderen sehr kostspielig sind. „Es bewerben sich Tausende auf nur 15 Plätze. Es gibt eben immer Kinder, die von klein auf gefördert werden, schon Ballett und alle möglichen Tänze können und Unterricht nehmen. Da hätte ich nicht mithalten können. Wenn man sich erst mit 20 Jahren bewirbt, ist man außerdem schon fast zu alt. Deswegen musste ich mir etwas anderes suchen.“

Blume beginnt sich zu informieren, nutzt Wikipedia, die Möglichkeiten des Arbeitsamtes, fragt im Bekanntenkreis herum und checkt ihre Interessen und Fähigkeiten. „Ich fand Medizin immer gut, aber ohne Abitur konnte ich das ja eh knicken“, stellt sie fest. Der Pflegebereich sei nicht ihr Ding gewesen. Also fing sie an, zu recherchieren. „Laborarbeit fand ich spannend, in dem Bereich hatte ich ein Praktikum in der Schule gemacht.“ So kam sie schließlich auf den Ausbildungsberuf als Medizinisch-technische Laboratoriumsassistentin (MTLA) „Das war ein Volltreffer“, so Blume. Die Ausbildung war allerdings mit einem Umzug in die Ferne verbunden, denn „in Oldenburg hätte die MTA-Schule – eine Privatschule – Geld gekostet“. Eine Privatschule konnten ihre Eltern nicht finanzieren, sodass die Bedingung war: Die Ausbildung darf nichts kosten. „In Magdeburg habe ich ein Ausbildungszentrum mit kostenfreier Ausbildung gefunden, weil sie dort mit dem Uniklinikum Magdeburg zusammenarbeiten.“ Ihre Ausbildung schloss sie dann auch mit guten Noten ab und meisterte auch die damit verbundenen Herausforderungen.

Blume findet ihre erste Arbeitsstelle in Hamburg, zieht erneut um und arbeitet drei Jahre in der freien Hansestadt. „Aber nach einem Jahr habe ich mich schon gefragt: War das jetzt alles?“, erinnert sich Blume. „Da kam nichts mehr. Man hat alle Arbeitsabläufe verinnerlicht und es wurde mir irgendwann zu langweilig.“ Nach einem internen Abteilungswechsel in die Mikrobiologie und Trinkwasserhygiene arbeitet sie eigenverantwortlich zunächst weiter. Immer wieder ärgert sie sich darüber, das Abitur nicht gemacht zu haben. „Das Nachholen des Abiturs hat aber nicht geklappt. Hamburg ist so eine typische Großstadt, da arbeitet man von morgens bis abends und sogar nachts. Und wenn man eine 40-Stunden-Stelle hat, arbeitet man trotzdem 50-60 Stunden mit Überstunden. Gerade, wenn man so alleine im Labor ist, so wie ich das war. Es hat sich aufgrund vieler Faktoren keine Möglichkeit ergeben, mein Abitur dort an einer Abendschule nachzuholen, weil ich durch die Medizin unter anderem auch im Schichtdienst war.“

Blume sucht andere Wege und informiert sich über Studiengänge, die auch ohne Abitur möglich sind. Sie sucht gezielt nach Studiengängen, in denen sie sich vielleicht auch Inhalte ihrer Ausbildung oder Berufserfahrung anrechnen lassen kann. „Sobald ich Universitäten gefunden hatte, an denen ich meine fachlichen Kenntnisse erweitern konnte, habe ich mir die Hochschulen im Hinblick auf ein Studium ohne Abitur genauer angesehen.“ Jede Uni handhabe das anders. So gäbe es zwar bundes- oder landesweit Richtlinien, aber zusätzlich auch hochschuleigene Richtlinien. Prinzipiell wäre Blume an jede Uni gegangen, die sie angenommen hätte, aber „am Ende war es nur die Uni in Wuppertal, die mir — hinsichtlich des Bewerbungsverfahrens und der Anforderungen — ein Studium ermöglichte“, berichtet sie. Sie benötigte schließlich auch keine zusätzlichen Praktika oder Empfehlungsschreiben.

Zwar sei der Weg durch die Bewerbung nicht so einfach gewesen, da es erst einmal herauszufinden galt, welche Kriterien von den Bewerbern erwartet wurden. Auch der BAföG-Antrag kostete einige Nerven. Für diesen musste Blume die Zeiten zusammenstellen, die sie voll gearbeitet hatte. „Bei mir ging es letztlich um einen einzigen Tag, der darüber entscheiden sollte, ob ich die Förderung bekomme oder nicht. Das war wirklich haarscharf, sonst hätte das alles nicht funktioniert. Aber der Aufwand hat sich gelohnt.“

Nur ein bis zwei Plätze für junge Leute ohne Abitur

Nina Blume hat es letztlich geschafft. Sie ist eine von nur wenigen Studierenden, die im Fach Gesundheitsökonomie ohne Abitur zugelassen werden. „Meines Wissens nach werden zwei Prozent der Plätze für Berufsqualifizierte freigehalten. Pro Jahr werden ungefähr 50 bis 60 Erstsemester für meinen Studiengang angenommen. Dementsprechend sind dann immer nur ein oder zwei Plätze pro Jahr frei.“

Mittlerweile studiert sie im fünften Semester und wird im Sommer noch ein Auslandssemester absolvieren, bevor sie ihre Bachelorarbeit schreibt. „Es war eindeutig die richtige Entscheidung. Ich bin sehr glücklich damit, dass ich studieren darf. Ich würde es jederzeit sofort noch einmal wagen, auch wenn man seinen Vollzeitjob und damit die finanzielle Sicherheit aufgeben muss“, erklärt sie.

Auf die Frage, wo ihr Weg zukünftig hinführen soll, antwortet sie: „Ich würde mich gerne später selbständig machen und in die Beratung für betriebliches Gesundheitsmanagement gehen“, sagt sie selbstbewusst. „Man muss sich trauen, sich informieren und auch den Mut haben, aufs Ganze zu gehen.“