Ausstellung Orte in Wuppertal, an denen Menschen 1934 für Demokratie einstanden

Wuppertal · Schulen beteiligen sich an der Ausstellung „90 Jahre Volksabstimmung“.

Stellten die neue Ausstellung vor (v.l.): SPD-Bundestagsmitglied Helge Lindh, Stephan Stracke vom Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal, Marius Bosse, Lehrer an der Gesamtschule Barmen, sowie Salvador Oberhaus von der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Foto: Andreas Fischer

Abraham Lincoln, 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, sagte einst: „Fast alle Menschen können Widrigkeiten ertragen, aber wenn du den Charakter eines Menschen prüfen willst, gib ihm Macht.“ Lincoln schaffte während seiner Amtszeit die Sklaverei ab. Adolf Hitler hingegen forcierte das genaue Gegenteil. Unterwerfung und Zerstörung. Dass ihm dies möglich war, ist auch einer politischen Entscheidung geschuldet, die sich nun zum 90. Mal jährt: Eine Volksabstimmung am 19. August 1934, die das Amt des Reichskanzlers mit dem Amt des Reichspräsidenten vereinigte und „dadurch für Hitler absolute Macht legitimieren sollte“.

So steht es auf einem der Plakate einer Ausstellung, mit der der Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal in den nächsten zwei Jahren durch die Stadt ziehen wird: Sie trägt den Titel „90 Jahre Volksabstimmung – Orte der Demokratie“ und findet unter anderem in Kooperation mit den weiterführenden Schulen statt.

Die Ausstellung dokumentiert nicht nur, an welchen Orten die Wahllokale standen, sondern auch, wie die Abstimmung in Wuppertal erzwungen wurde und dabei auf Widerstand traf. „Die Demokratie befindet sich zurzeit in einer problematischen Situation“, sagt Marius Bosse, Lehrer an der Gesamtschule Barmen, in der das Projekt am Montag vorgestellt wurde. „Es ist wichtig, dass wir nicht nur über Demokratie diskutieren, sondern sehen, was hier passiert ist. Dass wir nicht die Wahlergebnisse auf Reichsebene von vor 90 Jahren analysieren, sondern den Schülern bewusst machen, dass wir Geschichte vor Ort haben.“

Was die Zeit des Nationalsozialismus betrifft, gebe es immer weniger Zeitzeugen, hebt Marius Bosse hervor. „Natürlich kann man sich anhand von Büchern und Filmen einen Eindruck verschaffen, das ist aber immer mit einer Distanz verbunden. Wenn ich dagegen weiß, dass in der Straße, in der ich wohne, ein Widerstandskämpfer lebte, jemand, der Nein gesagt hat, was im Nationalsozialismus ein Leben in Gefahr bringen konnte, dann wird Geschichte lebendiger.“

Die Gesamtschule Barmen geht dabei noch einen Schritt weiter: Schüler der Oberstufe fahren einmal im Jahr nach Auschwitz, um das einstige Konzentrationslager zu besuchen. Außerdem geht es mit den neunten Klassen jeweils vor den Sommerferien zu mehreren Gedenkstätten, darunter nach Hadamar in Hessen, wo die Nationalsozialisten eine Tötungsanstalt für Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen betrieben, und zur Gedenkstätte Bergen-Belsen, in der mehr als 50 000 KZ-Häftlinge starben.

Wie Historiker Stephan Stracke erklärt, sei die Ausstellung, die er verantwortet, Auftakt und Impuls für das Projekt: „Wir möchten herausfinden, was damals die Hoffnung dieser Menschen war. Gerade aufgrund der großen Angst, sich dem Nationalsozialismus zu widersetzen.“ Die Ausführungen auf den Plakaten dokumentieren dies deutlich: „Propaganda-Veranstaltungen dominierten in den Wochen vor der Abstimmung das öffentliche Leben in Wuppertal“, heißt es dort. „Man traf sich zum Gemeinschaftsempfang der Hitler-Rede an öffentlichen Plätzen, Transparente wurden über die Straßen gespannt, ein Ja-Transparent war am Elberfelder Rathausturm angebracht“. Die Schwebebahn diente als Werbeträger für die Kampagne. Am Tag der Abstimmung weckten Musikgruppen der SA „schon früh am Morgen das Wahlvolk und mahnten zur Wahlteilnahme.“ Entscheidendes Druckmittel seien jedoch die angekündigten Schleppdienste der SA gewesen. „Spätestens am Mittag konnten die Wahlverweigerer anhand der Wahllisten in den Wahllokalen identifiziert werden.“ Entsprechend war die Wahlbeteiligung mit 95 Prozent hoch. Umso erstaunlicher sei aber gewesen, „dass sich in den alten Hochburgen der Arbeiterparteien und des katholischen Zentrums so viele Wähler trauten, mit Nein zu stimmen“.

Über Orte, an denen die Demokratie unter Druck war

„Wir werden in den nächsten Monaten mehrere Stadtteile besuchen“, kündigt Stephan Stracke an, darunter Unterbarmen, Heckinghausen, Wichlinghausen und die Elberfelder Nordstadt. Das Projekt wird von der Stiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ gefördert, die vom Bundestag ausgeht. Es sei notwendig, dass die Stiftung nicht nur „Leuchttürme der Demokratie“ wie die Frankfurter Paulskirche oder das Hambacher Schloss berücksichtige, „sondern auch Orte, in denen Demokratie unter Druck war und die viele nicht erzählte Geschichten verbergen“, betont Helge Lindh, Bundestagsabgeordneter der SPD.

Darüber hinaus sollen Schülerinnen und Schüler auf diese Weise verstehen, was Menschenwürde sei, ergänzt Marius Bosse. Man müsse als Schule Präventionsarbeit leisten, betont er. „Denn so wie wir hier zusammenleben, wäre das unter einer rechtsradikalen Führung nicht möglich.“