Pfarrer fordert mehr „Zivilcourage im Netz“
Holger Pyka hat einen Hasskommentar bei Facebook gemeldet, ohne Erfolg. Auch für die Justiz ist die Verfolgung nicht ohne Probleme.
Wuppertal. Wenn jemand auf offener Straße davon sprechen würde, Flüchtlinge, „sofort und ohne Gnade an die Wand“ zu stellen, und dann sagt: „Ich drücke gerne ab.“ Wie würde man reagieren? Das hat sich Holger Pyka, Pfarrer der evangelischen Gemeinde Uellendahl-Ostersbaum gefragt, als er einen Kommentar mit diesen Aussagen in seiner Facebook-Timeline gefunden hat. „Hereingespült über drei Ecken, wie das so ist“, sagt er. Er hat den Kommentar bei Facebook gemeldet. Wollte, dass dieser gelöscht wird. Er wollte nicht untätig zusehen, wie Hass im Internet verbreitet wird.
Passiert ist aber erst einmal nichts. Facebook hat ihm geantwortet, dass der Kommentar nach einer Überprüfung nicht die Community-Standards verletze. „Bedrückend“, schreibt Pyka auf seiner Facebook-Seite.
Dabei hat Facebook sogenannte Gemeinschaftsstandards, die die Diskriminierung von Menschen wegen Herkunft oder Ethnizität untersagen. Aber die Kontrolle gemeldeter Kommentare unterliegt am Ende immer einem Menschen, der den Kommentar überprüft. Der kann eben anderer Meinung sein, als der Mensch, der sich beschwert hat. Anderer Meinung als etwa Pfarrer Pyka in diesem Fall.
Hass-Kommentare im Netz sind ein Problem. Gerade dort hat sich die Stimmung vor allem im Laufe der Zeit, seitdem viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, zugespitzt. Die sozialen Medien sehen sich nicht wirklich in der Verantwortung und löschen die Hasskommentare nicht. Darauf will auch die Bundespolitik reagieren und Facebook mit Bußgeldern zwingen, illegale Äußerungen zu löschen. Bis jetzt heißt es aus dem Justizministerium, dass Facebook weniger als die Hälfte der Hasskommentare lösche. 46 Prozent.
Dass mehr ginge, gilt als Allgemeinwissen. Pfarrer Holger Pyka scherzt, ein Kollege habe gemeint, er solle einfach nackte Brüste unter den Hasskommentar setzen, dann lösche Facebook das alles ganz schnell.
Aber abgesehen vom Verhalten von Facebook: Solche Kommentare können ein Fall für die Justiz sein. Wobei das nicht immer ganz leicht ist. Wer mit Wolf-Tilman Baumert, Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft, spricht, erfährt von den Schwierigkeiten. Er sagt: „Nicht alles, was einem nicht gefällt, ist auch strafbar.“ Und dass ein Post oder Kommentar strafbar ist, müssten die Behörden erst einmal nachweisen. „Das hängt von vielen Einzelheiten ab“, sagt Baumert.
Wenn Kommentare etwa aussagen, dass kriminelle Ausländer ausgewiesen werden sollen, sei das eine Meinungsäußerung. Wenn aber zu Gewalt gegen eine Gruppe wegen deren Religion, Herkunft oder Nationalität aufgerufen würde, sei das Volksverhetzung. „Das kann, in schriftlicher Form, bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe geben“, sagt Baumert. Eine Beleidigung gegen eine einzelne Person kann mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden.
Häufig sind Strafen nach Aussage der Polizei aber nicht. Das Problem ist, dass vorher erst einmal ermittelt werden muss, ob ein Kommentar strafrechtlich relevanten Inhalt hat — und dass die Person dahinter ermittelt werden muss.
Die Polizei sagt, das sei eine Frage des Einzelfalls. „Je nachdem, wie gut einer seine Spuren im Internet verwischen kann und wie aufwendig und verhältnismäßig die Ermittlungen wären.“ Dabei seien die bestehenden Gesetze zu beachten — etwa weil die Polizei nicht so leicht an die Nutzerdaten herankomme, weil Facebook als US-Unternehmen diese nicht herausgeben müsse. „Die Ermittlungen sind somit aufwendig, zeitintensiv und leider häufig erfolglos“, sagt Anja Meis, Sprecherin der Polizei.
Genaue Zahlen darüber, wie viele Anzeigen wegen Hasskommentaren es gebe, habe die Polizei nicht. Je nachdem, was geschrieben werde, würden diese unter andere Kategorien fallen. Auch zu einer Aufklärungsquote könne Meis deswegen nichts sagen. Staatsanwalt Baumert sagt aber, die Anzahl der Anzeigen sei gestiegen. „Allein weil solche Sachen eher zur Anzeige gebracht werden.“
Auch Pfarrer Holger Pyka sagt, er werde beim nächsten Mal zur Polizei gehen. „Ich erlebe eine Verschärfung im Ton im Internet. Das hat Auswirkungen auf die nicht-digitale Welt.“ Es seien Sprach- und Denkverbote aufgegeben worden, sagt er, die einmal Konsens gewesen seien. Für ihn heißt das: „Wir brauchen mehr Online-Zivilcourage,“, man dürfe den Hass-Kommentatoren keinen Platz geben. Gerade um den Kindern und Jugendlichen ein gutes Vorbild zu sein. Ihnen müsse man zeigen, mit Blick auf das Internet und die reale Welt: „Das müsst ihr gestalten, sonst tun es andere“.
Der Kommentar ist mittleweile übrigens verschwunden. Ob Facebook ihn doch gelöscht hat, dazu sagt die Firma nichts.