Johanna Wokalek im Interview Pina Bausch Tanztheather: „Die sieben Todsünden“ mit prominenter Besetzung

Wuppertal · „Die sieben Todsünden“ wird mit prominenten Gästen in Wuppertal neu aufgelegt. Wir sprachen mit Schauspielerin Johanna Wokalek über Proben und Premiere.

 Oleg Stepanov und Stephanie Troyak in „Die sieben Todsünden“ in der Inszenierung von 2018.

Oleg Stepanov und Stephanie Troyak in „Die sieben Todsünden“ in der Inszenierung von 2018.

Foto: Tanztheater Pina Bausch (Honorarfrei im Rahmen der Berichterstattung über Stzephanie Troyak, Todsünden, Nominierung/Franziska Strauss

Hochkarätige Solisten stehen am heutigen Samstagabend zur Premiere des Tanzabends „Die sieben Todsünden“ von Pina Bausch in Wuppertal auf der Bühne. Für die Wiederaufnahme des zweiteiligen Brecht/Weill-Abends hat das Tanztheater neben Johanna Wokalek auch Meret Becker und Ute Lemper, die australische Künstlerin Melissa Madden Gray sowie die Schauspieler Erika Skrotzki und Steffen Laube engagieren können. Wir sprachen mit der 45-jährigen Schauspielerin Johanna Wokalek über die Wiederaufnahme.

Frau Wokalek, Sie kommen gerade von den letzten Proben zu „Die sieben Todsünden“. Wie intensiv ist das Spiel nach ihrer ersten Produktion, der Macbeth-Adaption „Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloß, die anderen folgen“ von 2019?

Johanna Wokalek: Es ist schön, dass man sich zum zweiten Mal begegnet. Und auch, dass ich Jo Ann Endicott und Julie Shanahan schon kenne aus der Arbeit mit Macbeth, sowie die anderen Tänzer, mit denen wir zusammen auf der Bühne sind. Die Endproben laufen. Jetzt muss man alles zusammenbauen, so dass es einen Bogen kriegt. Es ist spannend zu erarbeiten, wie Pina Bausch mit den Chansons umgegangen ist. Was sie darin sieht, was sie uns mitgibt an Requisite oder Kostüm, um diese Geschichten zu erzählen.

Kann man die Todsünden überhaupt mit ihrer ersten Tanztheater-Arbeit „Macbeth“ vergleichen?

Wokalek: Nein, man kann es tatsächlich überhaupt nicht miteinander vergleichen. Das hier ist wirklich Chanson, Brecht/Weill. Und darauf liegt auch der Schwerpunkt in der Interpretation. Macbeth war für mich als Darstellerin ein riesiges Gewebe an verschiedenen Momenten. Das Empfinden auf der Bühne ist ein anderes. Jetzt geht es ja  auch um die Chansons. Das herauszuarbeiten, was man sich wünscht.

Was macht das Stück so speziell?

Wokalek: Es ist stark erzählt, eben weil es die Pina-Bausch-Welt ist. Wenn man die Chansons alleine singen würde, würde man sie anders  interpretieren. Wie Pina Bausch die zwischenmenschlichen Beziehungen erzählt, das ist faszinierend, wie sie das ausleuchtet.

Zum Beispiel?

Wokalek: Es gibt immer eine junge Frau auf der Bühne, die nach der Liebe sucht, aber sie auch nicht wirklich findet, weil sie an die Falschen gerät. Dann gibt es die älteren Frauen, die das alles schon erlebt haben. Und die jungen wiederum spiegeln, was da alles passieren kann, im Zwischenmenschlichen zwischen Mann und Frau.

Ist es das, was Sie so an Pina Bausch fasziniert?

Wokalek: Ja. Sie hatte Humor, ist unglaublich klug und intelligent gewesen. Sie hatte diese innere Freiheit. Zahlreiche Theaterregisseure/innen haben sich in der Folge von ihr beeinflussen lassen.

Wie sieht Ihre Rolle in den Todsünden aus? Meret Becker springt für Sie an zwei Abenden ein...

Wokalek: Ja, ich spiele derzeit auch die Jeanne D’Arc au bûcher an der Oper Frankfurt. Daher gibt es zwei Vorstellungen, die ich nicht spielen kann. Damit ich überhaupt hier dabei sein konnte, singt Meret an zwei Abenden meinen Part.

Tauschen Sie sich aus?

Wokalek: Wir proben ja die ganze Zeit. Wir schauen uns also auch zu. Man kann gut auch aus der Beobachtung heraus lernen. Jeder sucht seinen Weg. Und jeder bringt etwas anderes mit. Das hat seine eigene Kraft auf der Bühne.

 Johanna Wokalek spielte unter anderem in Filmen wie „Barfuss“, „Der Baader Meinhof Komplex“ oder „Die Päpstin“.

Johanna Wokalek spielte unter anderem in Filmen wie „Barfuss“, „Der Baader Meinhof Komplex“ oder „Die Päpstin“.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Worauf kommt es Ihnen dabei an?

Wokalek: Jedes kleine Chanson von Brecht/Weill ist eine ganze Geschichte. Das sind unglaublich tolle Kompositionen, wie das instrumentiert ist und wie die Texte dazu Hand in Hand entstanden sind. In einer Minute ein ganzes Leben zu erzählen: Das ist das Faszinierende auf  der Bühne. Ein Moment wird beleuchtet, und der, der unten sitzt, sieht hoffentlich viel mehr dahinter.

Ist Pina Bausch zeitlos?

Wokalek: Der Blick auf die Menschen, den Pina Bausch hatte, ja, der hat nach wie vor seine Gültigkeit.

Schauspiel, Tanz, Musik, Film. Wie bekommen Sie Ihre Projekte unter einen Hut?

Wokalek: Ich finde es unglaublich spannend, mich immer wieder in anderen Zusammenhängen zu erleben. Diese Vielfalt finde ich aufregend. Was man lernt, ist, sich möglichst weitreichend vorzubereiten. Dann geht das. Man muss sich die Dinge einverleiben. Das heißt in der Arbeitsweise eine genaue Beschäftigung mit dem, was gefragt ist. Man muss letztlich für sich wissen, wer man ist im Bühnenmoment und warum man da ist. Dann findet sich auch alles.

Hat sich Ihr Fokus jetzt zur Musik verlagert?

Wokalek: Nein, es ist eine Farbe, die ich mehr und mehr entdecke. Und die mir viel Freude macht. Zum Beispiel diese Chansons auf der Bühne zu singen, das liegt mir. Ich freue mich unglaublich auf die Premiere.

Worauf kann sich der Zuschauer freuen?

Wokalek: Das Bühnenbild ist wieder ganz toll, die Kostüme natürlich auch. Die Musik ist wunderbar, die Tänzer. Da kann man sich einfach freuen, das mitzuerleben.

Steht denn bald auch wieder ein Kinofilm mit Ihnen an?

Wokalek: Nein, im Mai geht es mit „Kuba, eine Spurensuche“ weiter. Da sind wir in Freiburg und Hamburg. Ich war in Havanna und habe mich mit jungen Musikern getroffen. Anhand der Begegnungen habe ich einen Abend über Kuba entwickelt, über die Geschichte Kubas, der dann in einen kleinen Film von einer Komponistin mündet, die erzählt, wie sie zur Musik kam. Das ist berührend und interessant auch aus der literarischen Perspektive Kubas, aus der Märchen- und Exilliteratur.

Klaus Maria Brandauer übernimmt jetzt an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität eine Gastprofessur. Sie haben bei ihm am  Max-Reinhardt-Seminar gelernt.

Wokalek: Ja, jetzt ist es eine Freundschaft. Es gibt eine Nähe und Verbindung über viele Jahre. Er konnte wunderbar vermitteln, wie wichtig Konzentration auf den Gedanken auf der Bühne ist.

Das ist das Wesentliche für die Bühne?

Wokalek: Ja, und man muss sich natürlich auf die Menschen neu einlassen, mit denen man etwas erfindet. Begegnungen wie hier in Wuppertal sind ganz wichtig für mich. Wie etwa Jo Ann Endicott auf mich schaut. Weil sie eben nicht vom Theater kommt. Weil sie Dinge sieht, die ein Theaterregisseur erst einmal so gar nicht beschreiben würde. Diese erste Begegnung war für mich ein unvergesslicher Moment. Die ganze Probezeit, die Intensität, was ich hier mit den Tänzern erlebt habe. Die Körpersprache steht im Fokus. Ein solches Bewusstsein zu entwickeln, das gelingt einem in einer reinen Theaterarbeit so nicht.

Das heißt zum Beispiel?

Wokalek: Das Gehen etwa ist für Tänzer auf der Bühne etwas ganz anderes als für Schauspieler. Das hat, glaube ich, etwas mit dem Schwerpunkt  im Körper zu tun, wo der Impuls herkommt. Das Gehen eines Tänzers ist immer ein anderes Gehen. Andererseits habe ich bei Pina Bausch auch immer das Gefühl, es gibt einen inneren Anlass des Ausdrucks, der dann auch wieder ganz nah an der Schauspielerei ist. Und zusätzlich die Koordinationsfragen, alles zeitgleich und auf den Punkt zu bringen. Das sieht so leicht aus, aber es dauert, bis man da hinkommt. Das ist schon aufregend und extrem bereichernd.