Offen gesagt Posten und Pöstchen - Rathaus unter neuer Leitung
Bei allem, was an dieser Stadt liebenswert ist, und das ist wirklich viel, gibt es auch immer noch drängende Fragen, die von Politikern beantwortet werden müssen. Die Zahl der armen Kinder ist hoch, die Zahl der Kindergartenplätze niedrig, dass jeder fünfte volljährige Wuppertaler überschuldet ist, sollte kommunale Wirtschafts-, Stadtplanungs- und Sozialpolitiker auf den Plan rufen.
Doch unter der neuen Leitung des Rathauses geht es um Anderes. Es geht um Posten und Pöstchen. Es geht um Macht.
Am Montag hat der Stadtrat bemerkenswerte Personalentscheidungen zur Kenntnis genommen. Die eine betrifft den Kulturdezernenten Matthias Nocke von der CDU, die andere den Planungsdezernenten Frank Meyer von der SPD. Nocke war Mitglied im Aufsichtsrat der Wuppertaler Bühnen. Meyer lenkte im Aufsichtsrat der GWG die Geschicke der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft mit. Beide wurden ihrer Ämter enthoben.
Das ist erwähnenswert, weil sie sich nichts haben zu Schulden kommen lassen. Und es ist bedenklich, weil mit dem Personalwechsel kein Qualitätsgewinn verbunden ist.
Denn seit wann versteht ein ausgewiesen tauglicher Sozialdezernent etwas von Bauen? Warum also ersetzt Stefan Kühn seinen Genossen Meyer bei der GWG? Und warum löst Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) den Fachdezernenten Nocke im Aufsichtsgremium der Bühnenbetriebe ab?
Was sich die SPD bei der GWG-Rochade gedacht haben könnte, erschließt sich nicht. Vielleicht ist es, dass die GWG sozialen Wohnungsbau betreiben soll. Und wo sozial sein soll, da ist Kühn nicht weit. Doch die GWG hat seit Jahren noch nicht einmal mehr eine Zigarrenkiste zusammengeklebt. Nichts spricht dafür, dass sich daran auf absehbare Zeit etwas ändern könnte. Die GWG ist hoffnungslos verschuldet. Geld zum Bauen hat sie nicht.
Etwas deutlicher ist der Beweggrund im Fall Nocke. Eigentlich war es nämlich das erklärte Ziel der SPD, ihre Genossin Ursula Schulz an der Spitze des Bühnen-Aufsichtsgremiums durch Mucke zu ersetzen. Doch es fand sich kein Parteifreund, der ihr das sagen mochte. Also machte Mucke von seinem Recht als OB Gebrauch, beanspruchte einen Platz für sich, auf dass das Gremium ihn demnächst zum Vorsitzenden wählen möge. Seinen Fachdezernenten setzte Mucke auf das Katzenbänkchen. Dort darf Nocke mitreden, aber zu sagen hat er nichts mehr. Dass die CDU dieses Spiel klaglos mitmacht, sagt viel über den Zustand der Christdemokraten in Wuppertal aus.
Vielleicht ist das Stillhalten der CDU aber auch Taktik. Vielleicht hat die CDU geradezu dafür gebetet, dass der amateurtheater-erfahrene OB sich in die Machtzentrale der öffentlich geförderten Kultur begibt. Sollte ihm obendrein ein Genosse dazu geraten haben, dann wird Mucke womöglich bald am eigenen Leibe verspüren, dass der Superlativ von Todfeind Parteifreund ist. Denn mit Kultur hat noch kein Politiker nachhaltig punkten können. Was er auch entscheidet, ist entweder falsch oder wird andernfalls als selbstverständlich hingenommen. Der letzte Wuppertaler Oberbürgermeister, der das nicht erkannte, hat heute viel Zeit zum Wandern und für seine beeindruckende Garteneisenbahn. Er war von der CDU.