Joachim Ritterbach ist seit 45 Jahren Taxifahrer in Wuppertal Prominente wie Johannes Rau saßen auf seiner Rückbank
Seit 45 Jahren ist Joachim Ritterbach mit dem Taxi in seiner Heimatstadt unterwegs. Er kennt jeden Winkel und viele illustre Gäste.
Wuppertal. Das Steuer hat er längst aus der Hand gegeben. Offiziell ist er vor zehn Jahren ausgestiegen. „Da hatte ich das Rentenalter erreicht“, sagt Joachim Ritterbach. Im Ruhestand hat er es allerdings nicht lange ausgehalten. „Dann ist mir die Decke auf den Kopf gefallen und meine Frau hat mich rausgeworfen“, berichtet der Küllenhahner lachend.
Kurzerhand ist er wieder eingestiegen und nun gibt er zweimal in der Woche Gas. „Bei meinem ehemaligen Fahrer. Er sagt immer noch Chef zu mir, obwohl ich das doch schon längst nicht mehr bin“, berichtet der einstige Taxiunternehmer. Seit 1971 kutschiert er die Wuppertaler durch ihre Stadt — und das mit Leidenschaft. „Es ist der schönste Job der Welt. In meinem Auto bin ich glücklich“, sagt er und seine wasserblauen Augen leuchten.
„Er freut sich noch immer jeden Morgen, wenn er zur Arbeit fahren darf“, erzählt seine Frau Erika. Sie hat auch einen Taxischein, doch der Wagen ist für sie längst abgefahren. „Den Stress möchte ich mir nicht mehr antun. Bei drei Taxen war immer etwas los.“
Genau das hat Joachim Ritterbach immer gereizt. Nicht zu wissen, wen er während der Schicht trifft und wer seine Dienste in Anspruch nimmt, ist für ihn nach wie vor Teil der Faszination. „Als Taxifahrer bin ich auch eine Art Beichtvater. Die Leute erzählen mir von ihren Eheproblemen und auch alles andere. Sie erwarten, dass ich den Mund halte.“
Diskretion gehört für den 75-Jährigen zum Geschäft. Einen Gast, den er von Vohwinkel in die Disco Dudelsack fuhr, verriet er nicht, als zwei Stunden später seine Frau bei ihm einstieg. „Ich habe sie zu allen Discos Wuppertals gefahren, nur nicht in den Dudelsack“, erinnert sich Joachim Ritterbach. Besonders gerne chauffierte er Johannes Rau mittwochs in die Gaststätte Richter zum Skatspielen. „Er kam sogar noch, als er schon längst Bundespräsident war. Er fuhr grundsätzlich mit dem Taxi. Seine Sicherheitsleute mussten mit der gepanzerten Limousine hinterher fahren.“
Wenn in Wuppertal die Lichter ausgingen, verwandelten sich Stadt und Kundschaft. „Dann ist plötzlich alles anders und selbst der biedere Bankdirektor lässt die Sau raus“, erzählt der leidenschaftliche Taxifahrer. Er war 20 Jahre lang jede Nacht auf der Rolle. Eine der ältesten Prostituierten überhaupt zählte zur Stammkundschaft. „Sie stand mit 86 Jahren noch auf dem Straßenstrich an der Hofaue und war durchaus frequentiert.“
Regelmäßig ließen sich Gäste in die einschlägigen Clubs fahren und gaben sich durchaus großzügig. „Einer hat mich mal gefragt, ob ich auch wolle“, erinnert sich Joachim Ritterbach. Er wollte. „Als ich mit dem Mädchen auf dem Zimmer war, haben wir uns den Hunderter geteilt. Dem Gast habe ich gesagt, dass es ganz toll war.“ Bis in die 80er Jahre habe es noch ein richtiges Nachtleben gegeben. „Wir hatten mehr als 1000 Gaststätten, Alice Schwarzer verkehrte in der Belle Etage, die Leute gingen ins Theater. Als Pina Bausch anfing, hatte ich die Gadrobiere im Wagen, die das alles ganz bestusst fand.“ Doch die Zeiten seien vorbei.
Ebenso wie die der Subunternehmer, die sich mit Sozialversicherungsbetrug auf diversen Großbaustellen eine goldene Nase verdienten. „Da war Geld im Umlauf, das war unglaublich. Sie ließen sich von uns nach Frankfurt zum Flughafen fahren, um mit der Concorde zum Frühstück in New York zu sein. Doch irgendwann saßen sie alle im Knast.“
Mit einem Taxi nach Paris war für Joachim Ritterbach mehr als ein Schlager. Die Reise in die Stadt an der Seine kostete 800 Euro. „Wir hatten einen Fahrgast, der ließ sich jedes Jahr nach Ascona bringen und drei Wochen später wieder abholen.“
Die Langstrecken waren jedoch die Ausnahme. „Die meisten Fahrten führen im Stadtgebiet von A nach B.“ Doch dort ist noch immer nicht zusammen gewachsen, was zusammen gehört. „Es gibt immer noch viele Barmer und Elberfelder und die Ronsdorfer lassen sich nach Wuppertal bringen“, berichtet Joachim Ritterbach. Er fährt ohne Navi, aber nach Wunsch. Wer möchte, den bringt er auch zum Carnaper Platz, obwohl es den eigentlich gar nicht gibt. „Trotzdem weiß jeder, wo das ist.“
Von den 2200 Straßen in Wuppertal kennt der 75-Jährige jede. Kreuz und quer durch seine Heimatstadt zu kurven, ist sein Traumberuf. Es hat nie bereut, dafür seine sichere Position bei Bayer aufgegeben zu haben. „In meinem Taxi bin ich selig.“ Er ist froh, wieder eingestiegen zu sein.