Kultur in Wuppertal Schauspiel: Die Puppe als Partner ist auch keine Lösung
Das Theater am Engelsgarten präsentiert „Mädchen in Not“ von Anne Lepper.
Baby (Julia Reznik) hat genug von ihrem Freund sowie ihrem Zweitliebhaber. „So wie ich gelebt habe, will ich nicht mehr weiterleben“, sagt sie zu Beginn des Stücks „Mädchen in Not“, das am Donnerstagabend im Theater am Engelsgarten seine Premiere hatte. Doch da, wo das Männliche droht, wächst auch das Künstliche: In diesem Fall als Puppe, die sich Baby als Mann wünscht. Für die selbstbewusste junge Frau ist das eine Form der Emanzipation und sexuellen Selbstbestimmung („Ich lasse mich nicht mehr zurichten vom Willen anderer“), für ihre biedere und jungfräuliche Freundin Dolly (Lena Vogt) Anlass zu Neid.
Eine Entscheidung mit Folgen: Da sind zunächst die beiden ausgemusterten Freunde Franz (Konstantin Rickert) und Jack (Martin Petschan). Sie und ihr männliches Ego müssen damit zurechtkommen, dass ihre Freundin sie gegen eine Puppe eintauscht. Die beiden verfallen auf eine Idee, werden selbst zur Puppe, um wieder bei Baby landen zu können. Die macht sich derweil auf die Suche nach dem Puppenmacher Duran-Duran (Miko Greza), der ihr einen künstlichen Partner erschaffen soll.
Das Stück der 1978 in Essen geborenen Anne Lepper präsentiert sich als Collage diverser Formen, die Elemente aus Regie- und Diskurstheater, moralische Appelle, multimediale Inszenierungen sowie Tanz- und Pantomime-Einlagen verbindet. 2016 wurde es uraufgeführt, ein Jahr später erhielt es den renommierten Mülheimer Dramatikerpreis. In der Wuppertaler Inszenierung (Regie Peter Wallgram) spielt das Stück in einem spartanischen Bühnenbild (Sandra Linde), das aus blau-roten Ebenen, einer per Treppe besteigbaren Wand sowie einem Tor besteht, aus dem die Akteure heraustreten.
Das Stück versteht sich als Parabel, wie schnell gute Absichten dramatische Folgen haben können. Mit ihrem Wunsch nach einem künstlichen Mann begibt sich Baby auf gefährliches Terrain: Der Puppenmacher hält von Humanismus und Moral nicht viel, er arbeitet mit einer Gesellschaft der Freunde des Verbrechens zusammen, die von sechs Laienschauspielern dargestellt wird, die nur als im Chor sprechende Androiden-Bande auftritt und Übles im Schilde führt.
Das Drama beginnt damit, dass Franz und Jack als Puppen bei Baby landen. Die ist zunächst ganz begeistert von den künstlichen Partnern, Freundin Dolly lässt sich sogar von einem der beiden schwängern. Das Baby bringt sie als Sturzgeburt auf der Bühne zur Welt, sehr zum Ärger ihrer „Freundin“ Baby, die die beiden im Anschluss gleich mal ersäuft. Die Zuneigung zu den Puppen erlischt bei Baby auch recht schnell; gemeinsam mit Duran-Duran lässt sie die beiden Puppen/Menschen von der Gesellschaft der Freunde des Verbrechens erschlagen. Dazu erklingt die „Ode an die Freude“ aus Beethovens Neunter: Der Zwiespalt zwischen „Alle Menschen werden Brüder“ und der „Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ wird da freilich mit etwas zu viel pädagogischem Zeigefinger inszeniert.
Mit dem Stück „Mädchen in Not“ wagt sich das Theater Wuppertal an einen vielgestaltigen Stoff, die Umsetzung gelingt nicht durchweg. So rutscht das Spiel mit den unterschiedlichen Darstellungsformen bisweilen ins Beliebige und Klamaukige, so manche Entwicklung der Protagonisten ist schwer verständlich. Der Applaus des Publikums bleibt denn auch etwas verhalten, vielleicht braucht der eine oder andere Zuschauer noch etwas Zeit zum Nachdenken.