Projekt für Jugendliche Schüler lernen von den Pferden
Sonja Priebe bietet ein spezielles Projekt für Jugendliche an: Im Umgang mit dem Tier beginnen sie sich zu öffnen und besser zu konzentrieren.
Wuppertal. Gehorsam trottet der kompakte Schecke über den eingezäunten Reitplatz. Unvermittelt bleibt er wie angewurzelt stehen. Ungeduldig zerrt der elfjährige Unmut auf der anderen Seite am Strick. Doch das Pferd rührt sich nicht. „Ruhig, Unmut“, mahnt Sonja Priebe. „Bewege vorsichtig den Strick hin und her und gehe entschlossen vorwärts“, ruft die Trainerin dem Jungen zu. Der schnalzt kurz mit der Zunge, lässt das Seil locker schlackern und setzt sich in Bewegung. Diesmal folgt Twister ihm, ohne zu zögern.
Der acht Jahre alte Welsh Cob-Wallach ist eines von drei Pferden, die den Jugendlichen der Else-Lasker-Schüler-Gesamtschule einen ganz besonderen Unterricht erteilen. „Einige der Kinder sind im Alltag sehr introvertiert, andere haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Über das Pferd bekommen sie ihr Verhalten ganz anders gespiegelt und spüren die Konsequenzen ihres Handels sofort“, erklärt Sonja Priebe. Die engagierte Lehrerin und leidenschaftliche Reiterin setzt das Wesen der Tiere ein, um einen neuen Zugang zu den Schülern zu bekommen.
Einträchtig spaziert David neben Robin durch den Sand. Der sanfte Fuchswallach folgte dem verschlossen wirkenden Jungen willig. „Versuche, ihn mal ganz vorsichtig an der Hüfte zur Seite zu drücken“, sagt Sonja Priebe. Etwas unsicher berührt der Zwölfjährige den Wallach an der Flanke. Der reagiert prompt und macht mit den Hinterhufen zwei Schritte nach rechts. „Sehr gut. Hast du gemerkt, du brauchst kaum Kraft“, sagt Sonja Priebe. David nickt und ein Lächeln huscht über sein Gesicht.
„Das habe ich heute zum ersten Mal bei ihm gesehen“, sagt Sonja Priebe. Für ihn habe die Zeit mit den Pferden viel mit Glück zu tun. „Kinder wie er erfahren hier Emotionen, die sie oft gar nicht kennen. Die Klassenlehrer berichten mir oft hinterher, dass die Schüler auch im Unterricht offener und kommunikativer sind.“
Chantal sitzt kerzengerade im Sattel des zierlichen Arabers namens Brösel. „Wollen wir mal versuchen zu traben?“, fragt Anke Laubenstein. Das Mädchen nickt so eifrig, dass der blonde Pferdeschwanz unter der Kappe auf und ab wippt. „Dann lege deine Waden mal leicht an den Pferdebauch und schnalz mal mit der Zunge“, sagt Anke Laubenstein, die den Wallach an der Longe führt. Sie läuft nebenher, als Brösel in einen gleichmäßigen Zuckeltrab fällt. Chantal bleibt gestreckt im Sattel sitzen, doch auf ihr Mund verzieht sich zu einem breiten Grinsen und ihre Augen leuchten.
„Das macht so viel Spaß“, sagt die Elfjährige begeistert. Sie habe in den sechs Wochen des Kurses gelernt, mit Pferden umzugehen. „Ich muss ihnen immer klar zeigen, was ich möchte.“ Unmut wirkt ebenfalls überaus zufrieden. Er sitzt inzwischen auf Twister. „Das fühlt sich gut an. Er ist ganz warm und weich.“ Der Elfjährige weiß inzwischen ganz genau, worauf er achten muss. „Ich habe gelernt, aufmerksamer zu sein.“
David ist nach ihm an der Reihe, auf Twisters breiten Rücken zu klettern. Für ihn ist das eine ganz neue Erfahrung. „Es wackelt ziemlich“, sagt er noch etwas unsicher, während Sonja Priebe das Pferd über den Platz führt. Als er wieder festen Boden unter den Füßen hat, würde er am liebsten sofort wieder auf den Pferderücken steigen. „Das hat bisher am meisten Spaß gemacht“, sagt der Zwölfjährige und wieder huscht ein Lächeln über sein Gesicht.