Schwangerschaft als Problem: Jugendarbeit in Gefahr

Die Stadt fordert von der Politik klare Richtlinien zur Höhe der Ausgaben für Jugendhilfe.

Wuppertal. Schwangerschaft. Eigentlich ein Thema, das mit der Finanzmisere der Stadt Wuppertal nichts zu tun haben sollte. Doch für engagierte Mitarbeiterinnen in der städtischen Jugendarbeit könnte der Wunsch nach einem Kind zur Gewissensfrage werden. Denn in der Kinder- und Jugendhilfe gehe es in Zeiten leerer Kassen längst um mehr als um dringend benötigte Gelder für Projekte oder Angebote einzelner Einrichtungen, sagt Sozialdezernent Stefan Kühn. "Das ist nur ein Teil des Problems."

Weit gravierender seien die Auswirkungen einer unklaren Gesetzeslage in Zeiten knapper Kassen: Wuppertal ist so gut wie pleite, muss aber gleichzeitig eine ganze Reihe von Aufgaben erfüllen. Viele Leistungen der Jugendhilfe sind so genannte Pflichtleistungen der Kommunen, die laut Gesetz von der Stadt zu erbringen sind. "Aber in welchem Umfang - das ist nicht festgelegt", erläutert Kühn. "Und damit stellt sich die Frage: Was müssen wir, wie viel dürfen wir leisten?"

Kinder- und Jugendhilfe umfasst ein breites Spektrum von Angeboten, beispielsweise Kindergärten, Erziehungshilfe, aber auch präventive Jugendarbeit wie Freizeitangebote und Offene Türen.

Die Mitarbeiter dieser Bereiche sind oft jung - und es gibt besonders viele Frauen. Wird eine von ihnen schwanger oder wechselt ein Mitarbeiter den Job, könne das zu einem Problem für die Arbeit in einem Stadtteil werden, erläutert Kühn. Denn ohne weiteres dürfen frei werdende Stellen derzeit nicht wieder besetzt werden.

Wegen der Sparvorgaben muss jede benötigte Stelle bei der Bezirksregierung in Düsseldorf beantragt und von ihr genehmigt werden. Das gestalte sich schwierig - nach gegenwärtigem Stand sei eine solche Stelle in der Kinder- und Jugendarbeit dann meist weg, so Kühn. Und mit ihr womöglich ein über Jahre bekannter Ansprechpartner junger Leute.

Für die Mitarbeiter bedeute der Wegfall ihrer Stelle zwar keine Arbeitslosigkeit, so Kühn. Der Schaden für die vorbeugende Kinder- und Jugendarbeit könnte jedoch schwer wiegen - gerade in problematischen Stadtteilen. Sie zu verlassen, falle Erzieherinnen und Betreuern meist nicht leicht.

"Wir haben hier nicht nur eine besonders Frauen benachteiligende Regelung - sie ist auch familienfeindlich." Zudem sei die Situation derzeit chaotisch, verdeutlicht der Sozialdezernent: "Was mache ich, wenn jemand krank wird, den Job wechselt? All’ das habe ich nicht in der Hand, es herrscht absolute Planungsunsicherheit.

Wenn es bei der Linie der Bezirksregierung bleibt, verlieren wir innerhalb der nächsten anderthalb Jahre 30 Prozent der Mitarbeiter. Das wäre ein jugendpolitischer Flächenbrand."

Um künftig besser planen zu können, sollte es mehr Klarheit geben, fordert Kühn: "Wir wollen als Stadt ermitteln, wie viel an präventiver Jugendarbeit wir brauchen." Vorgesehen ist, bis Ende der Sommerpause eine Wuppertaler Forderung zu formulieren, die dann der Bezirksregierung vorgelegt werden soll.

Es bleibe jedoch eine politische Frage, wie viel Infrastruktur für Jugendliche die Stadt aufrecht erhalten dürfe. "Verlässlich planen kann man erst, wenn dieses Volumen festgelegt ist."

Eine Vorstellung davon hat Kühn bereits: "Zehn Prozent der Gesamtausgaben der Jugendhilfe sollten für Prävention ausgegeben werden." Das sei ein angemessener und auch üblicher Rahmen. "Ich glaube, dass diese zehn Prozent nicht nur gesellschaftspolitisch richtig, sondern auch finanzpolitisch sinnvoll sind."