Literatur Sibyl Quinke sucht die Wahrheit vor Gericht

Elberfeld · Krimi-Autorin rekonstruiert die Vorgeschichte eines Vergewaltigungsprozesses.

Sibyl Quinke hat ein neues Buch veröffentlicht.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

. Erst vergewaltigt, dann verheiratet. Diese Schlagzeile hat vor rund zehn Jahren die Aufmerksamkeit von Autorin Sibyl Quinke erregt. Später verfolgte sie den Prozess dazu vor dem Wuppertaler Landgericht. Jetzt hat sie daraus ein Buch gemacht. Das bietet eine Erklärung für das Verhalten der Figuren an und macht anschaulich, wie schwierig die Aufklärung für ein Gericht sein kann.

Dabei hat sie die Ursprungsgeschichte mit Fiktion angereichert, den Personen eine Geschichte gegeben, um ihre Handlungen schlüssig erzählen zu können. Hauptperson ist Gülcay, eine junge Frau, die es trotz ihrer konservativen Erziehung in Anatolien gerade geschafft hat, als alleinerziehende Mutter ihr Leben in Wuppertal einzurichten.

Die Protagonistin heiratet
ihren Vergewaltiger

Als ihre mütterliche Freundin Afet ihr rät, wieder zu heiraten, will sie das nicht. Doch ihre Erziehung erlaubt ihr nicht, das Angebot einfach abzulehnen. Sie lässt sich darauf ein, Cem kennenzulernen, einen arbeitslosen Mann, der eine Frau als Ernährerin sucht. Als sie den Mut findet, ihm einen Korb zu geben, lockt er sie in eine Falle und vergewaltigt sie. Und erreicht damit, dass sie ihn heiratet, um ihre Ehre nicht zu verlieren.

Nur über Umwege landet das Geschehen vor Gericht. Cem bestreitet, ihr Gewalt angetan zu haben. Das Gericht hört viele Zeugen, will Motive und Prägung der Beteiligten verstehen. Und hat dabei seine Probleme. Die Beteiligten bleiben im Ungefähren, widersprechen sich.

Eine besondere Rolle spielt die mütterliche Freundin Afet. Ihre Vorgeschichte – auch sie ist erst durch eine Heirat nach Deutschland gekommen und hatte es schwer in ihrer Heimat – erklärt, warum sie ihre Machtposition als Strippenzieherin genießt. Vor Gericht sagt sie mal: „Die Gülcay lebt schon so lange alleine. Das ist nicht gut. Sie soll einen Mann an ihre Seite bekommen“, dann wieder: „Sie ist alt genug. Sie kann das allein entscheiden.“

„Die Frage der Wahrheit hat mich besonders interessiert“, erklärt Sibyl Quinke. Sie lässt einen psychologischen Gutachter zu Wort kommen, der die Glaubwürdigkeit von Gülcays Aussage prüft. Ebenso gibt sie den Aussagen der Personen sowie den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger viel Raum. So dass viele Varianten der Geschichte möglich scheinen, wenn auch die Sympathie der Autorin für Gülcay zu spüren ist.

Sibyl Quinke schreibt sonst Kriminalromane. Diesmal hat sie sich einem Verbrechen von ungewöhnlicher Seite genähert. Und dabei einen spannenden Roman geschrieben, der ein realistisches Bild der Wahrheitssuche vor Gericht zeichnet.

»Sibyl Quinke: Ausweg Sackgasse, Verlag Edition Oberkasse, Taschenbuch 185 Seiten, 12 Euro, ISBN 978-395813-188-0