„Sie schnitten mir die Haare ab“
Jessica Gehres (26) war jahrelang den Anfeindungen ihrer Mitschüler ausgesetzt. Jetzt hat sie darüber ein Buch geschrieben.
Wuppertal. Jahrelang wurde Jessica Gehres (26) in ihrer Schulzeit von Klassenkameraden gemobbt. Doch diese Zeit ist vorbei: Nun hilft sie selbst Mobbing-Opfern und hat ein Buch über ihre Geschichte geschrieben. „Euer Hass hat kein Gesicht“ heißt es.
Es fing alles an, als Jessica Gehres zwölf Jahre alt war und eine Wuppertaler Gesamtschule besuchte. „Es gab eine Clique, zu der ich auch gehörte. Die hatte es auf eine Mitschülerin abgesehen. Nach Schulschluss sollte das Mädchen abgefangen und schikaniert werden. Das konnte ich nicht zulassen“, sagt sie. Sie beschloss, das Mädchen zu warnen. Kurz bevor die Gruppe auf ihr Opfer losgehen konnte, lief Gehres mit dem Mädchen davon.
Von da an wurde auch sie zur Zielscheibe der Mobbing-Clique. Der Gang zur Schule fiel Jessica seitdem immer schwerer. Zwei Jahre lang terrorisierten ihre Mitschüler sie. Jessicas Schulalltag war gezeichnet von psychischen, aber auch von körperlichen Attacken: „Täglich wurden Lügen über mich verbreitet - im Internet und auf dem Schulhof. Ich wurde geschubst und getreten. Einmal hielten sie mich fest und schnitten mir die Haare mit einer Schere ab.“ Nach einiger Zeit verlegten die Täter, wie Gehres die Mobber bewusst nennt, ihre Hass-Attacken ins Internet. Auf einem Online-Schülerportal legten sie eine Gruppe an, in der sie das Mädchen angingen. Gehres wurde durch den Mobbing-Terror immer stiller, ihre Noten sackten ab.
Aus Scham vertraute sie sich niemandem an. „Wenn dir alle sagen, dass du schlecht bist, dann glaubst du es“, erinnert sie sich. Sie gab sich selbst die Schuld an der Situation, spielte sogar mit dem Gedanken, sich umzubringen. Rechtzeitig bemerkte ihre Schwester, dass etwas nicht stimmte. Nachdem Jessica den Mut fasste, ihrer Schwester von den Übergriffen zu erzählen, erfuhren auch ihre Eltern davon. Sofort suchten sie das Gespräch mit der Schulleitung, doch diese sah die Schuld bei Jessica Gehres selbst. Das wollten ihre Eltern nicht akzeptieren und nahmen sie von der Schule. Wenige Tage später konnte das Mädchen auf eine Realschule wechseln — und fühlte sich vom ersten Tag an richtig wohl. Auch das Mobbing im Internet hörte auf; die Täter verloren das Interesse.
Mittlerweile engagiert sich Gehres für das Bündnis gegen Cybermobbing, betreut Anfragen von Mobbing-Opfern, hält Seminare an Schulen. Ihr Rat: Sich anvertrauen! „Ich habe zwei Jahre lang geschwiegen, das war falsch.“