Analyse So entfernt Wuppertal sich von den Wuppertalern
Die Konzentration des Meldewesens am Standort Steinweg funktioniert nicht. Das Gebäude ist nicht geeignet und das Personal im Amt zu wenig.
Wuppertal. Vermutlich entwickeln Verwaltungen im Kollektiv Methoden, nach denen sie Peinlichkeiten so weit verteilen, dass sie den Einzelnen nicht mehr berühren. Anders ist kaum zu erklären, dass Wuppertals Stadtverwaltung an dem Plan festhält, das Meldewesen an einer Stelle zu konzentrieren. Dabei dokumentieren unzählige Fotos und Beiträge auch in der Westdeutschen Zeitung, dass zumindest am Steinweg nicht zusammenwachsen kann, was nicht zusammengehört. Endlose Schlangen vor den Büros, verärgerte Bürger, überlastete Mitarbeiter sind seit Monaten das Ergebnis der Entscheidung, die der Stadtrat vor sechs Jahren getroffen hat.
Dabei zeigt eine einfache Rechnung, welche Folgen diese Sparmaßnahme hat: Wuppertal hat derzeit etwa 350 000 Einwohner. Bei einer Gültigkeitsdauer von zehn Jahren bedeutet das, dass jedes Jahr 35 000 Personalausweise und bis zu 35 000 Reisepässe erneuert werden müssen. Das heißt, dass täglich maximal 300 Einwohner allein aus diesem Grund zum Meldeamt an den Steinweg kommen. Und dann ist noch niemand ab- oder angemeldet, noch keine Auskunft erteilt, noch nichts beglaubigt worden.
Wenn die Fälle dann auch noch schwierig werden, weil Menschen aus aller Herren Länder nach Wuppertal kommen, mit all dem bürokratischen Aufwand, den das mit sich bringt, dann entstehen schon wegen Platzmangels Schlangen. Das ist regelmäßig vor dem Gebäude Steinweg 8 zu beobachten.
Es ist also kein Wunder und alles andere als unvorhersehbar, dass der Warteraum des Amtes fast immer überfüllt ist. Parkraum am Einwohnermeldeamt ist ebenfalls knapp. Wer im Amt in der Schlange steht, während eine Politesse an seinem Fahrzeug ein „Knöllchen“ anbringt, der ist dauerhaft bedient. Auf diese Weise entfernt Wuppertal sich von den Wuppertalern. Mit Dienstleistung im Sinne der Bürger, die diese Dienstleistung über Gebühren und Steuern finanzieren, hat das nichts mehr zu tun.
Die Probleme sind hausgemacht. Im preußisch-bürokratischen Meldewesen lassen sich Aufwand und Personalbedarf leicht ermitteln. Der Deutsche Städtetag beispielsweise geht davon aus, dass durch Änderungen im Meldegesetz pro 50 000 Einwohner eine zusätzliche Stelle notwendig wäre. Wuppertal reagiert darauf nicht. Im Gegenteil.
Im Zuge des Stärkungspaktes mit dem Land hat Personaldezernent und Stadtkämmerer Johannes Slawig Stellen abbauen müssen, um den Haushalt auszugleichen. Das muss er tun, weil Wuppertal sonst die Vorgaben des Stärkungspaktes nicht erfüllt, gegen Gesetze verstößt und vom Land NRW keinen Zuschuss mehr bekommt. Wer allerdings entschieden hat, dass ausgerechnet in dem Amt Stellen abgebaut werden, dass neben der Kfz-Zulassungsstelle den größten Kundenverkehr hat, ist auf die Hilfe des Meldeamtes offenbar nie angewiesen. Oder er kann sich notfalls an den Wartenden vorbeischlängeln. Dem Amtsleiter scheint das Gespür für die Situation zu fehlen. Sehr verwunderlich ist das nicht. Der Mann hat seine Büros im Rathaus. Von dort aus ist das Chaos in seinem Amt nicht zu sehen.
Der Personaldezernent versucht, die Not zu lindern. So sollen acht zusätzliche Mitarbeiter von andern Ämtern losgeeist werden, um im Einwohnermeldeamt die bestehenden Lücken zu schließen. Aber das neue Personal muss zunächst geschult werden. Außerdem hat sich niemand gemeldet. Der Ruf des Amtes am Steinweg ist hoffnungslos ramponiert, der Krankenstand ist hoch, die verbliebenen Mitarbeiter müssen jeden Tag an ihre Leistungsgrenzen gehen. Dass sie in aller Regel dabei auch noch freundlich und aufmerksam sind, ist bemerkenswert.
Das Projekt „Konzentration am Steinweg“ funktioniert nicht. Und es wird auch durch zunehmende Digitalisierung nicht verlässlich besser. Sehr gute Phasen, in denen dank Online-Terminvergabe Abholzeiten von weniger als fünf Minuten möglich sind, wechseln mit immenser Schlangenbildung vor der Tür.
Das ist umso ärgerlicher, als die Zentralisierung des Meldewesens zum Sparkonzept des Kämmerers einen Beitrag von nur 300 000 Euro geleistet hat. Das ist weniger als die Summe, die das neue, völlig überflüssige Dezernat für Bürgerbeteiligung und Beteiligungsmanagement kostet.