Coronavirus „Mir wird es hier langsam zu eng“
Frank Böttger und sein Sohn Simon leben mit Spendernieren. Für sie bedeutet das Coronavirus eine noch größere Gefahr.
Nach einem langen Winter sind die Abwehrkräfte häufig geschwächt und die Menschen anfälliger für Infektionen. Dass genau zu dem Zeitpunkt das Coronavirus um sich greift, hat momentan viele Infizierte zur Folge. Doch wie sieht es aus, wenn das Immunsystem stetig auf einem niedrigen Level gehalten wird? Frank Böttger lebt seit 31 Jahren mit einer Spenderniere, sein Sohn Simon (18) ist seit einem Jahr nierentransplantiert. Beide müssen Immunsuppressiva nehmen, damit ihr Körper das fremde Organ nicht abstößt. Ihre Abwehr ist geschwächt. Schon früher mussten sie als fünfköpfige Familie mit Erkrankungen umgehen. „Man weiß, man könnte empfindlicher werden gegenüber aller Art von Infektionen. Das ist eher eine latente Geschichte“, erklärt Frank Böttger.
Das Coronavirus fesselt beide momentan ans Haus, dennoch ist ihre Wahrnehmung verschieden. „Als Jüngerer bin ich eigentlich recht entspannt, vielleicht auch, weil ich weniger Erfahrung habe“, berichtet Simon Böttger. Zunächst habe er sich von dem Virus nicht wirklich betroffen gefühlt. Dann, als das Virus näher kam, habe er ein ungutes Gefühl bekommen. Dass es nun von der Regierung heißt, dass man auf der einen Seite zwar keinen Kontakt haben soll, auf der anderen Seite aber zu zweit spazieren gehen kann, könne er nicht so ganz nachvollziehen.
„Mir persönlich wird es hier zu Hause langsam zu eng. Ich würde gerne rausgehen, mal wieder Motorradfahren. Da gibt es keine wirkliche Ansteckungsgefahr, weil mir niemand zu nah kommen kann“, so Simon Böttger. Auch seine Freunde würde er gerne mal wieder persönlich treffen. Kontakte finden hauptsächlich über Videochats statt: „Vorher habe ich mich regelmäßig mit Freunden getroffen. Jetzt haben wir uns seit Längerem nicht gesehen. Es ist was anderes, sich persönlich zu sehen.“ Chipstüten könne man sich schließlich nicht über das Internet teilen.
Abstand halten und
zu Hause bleiben
Seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann macht er in einem Bekleidungsgeschäft. Bevor auch dieses vergangene Woche schließen musste, habe sein Chef ihm freigestellt, ob er zur Arbeit kommen möchte oder nicht. „Mein Chef kam mir direkt entgegen. Ich habe mich dann mit meinen Eltern abgesprochen und beschlossen, lieber zu Hause zu bleiben“, so Simon Böttger. Frank Böttger hat bis Anfang April Homeoffice angemeldet. Er bemühe sich, so wenig wie möglich aus dem Haus zu gehen. Abstand halten ist seine Devise.
„Ich würde gerne einkaufen gehen, man lässt mich nur nicht immer“, erzählt Simon Böttger. Oft würde der Rest der Familie losgeschickt werden, um auf dem Weg nach Hause Einkäufe zu erledigen. In den Supermärkten sieht man zurzeit teilweise Menschen mit Einweghandschuhen und Mundschutz. So weit geht die Familie aber nicht. „Anfangs bin ich ganz normal angezogen einkaufen gegangen. Jetzt trage ich Lederhandschuhe, die eigentlich für den Winter gedacht sind, und ein Bandana vom Motorradfahren. Also Sachen, die man normalerweise auch anzieht, aber etwas Schutz bieten“, so Simon Böttger.
Auch beim Thema Einkaufen sieht Simon Böttger die Lage entspannter als sein Vater: „Ich fühle mich unwohler, wenn Simon unterwegs ist, als wenn jemand anderes aus der Familie die Einkäufe erledigt, auch wenn es eigentlich egal ist. Wenn das Virus eingeschleppt wird, ist es da“, erklärt Frank Böttger.
Einmal im Quartal stehe ein Arztbesuch an, bei dem alle Werte gecheckt werden. Mehr unter Beobachtung würden sie wegen des Virus nun nicht stehen. Für Frank Böttger sei es schwierig abzuschätzen, wie eine Infektion bei ihm oder seinem Sohn verlaufen würde: „Verläuft es milde, verläuft es schlimmer, ich habe keine Vorstellung davon. Aber ich habe die Hoffnung, dass es wie bei vielen anderen milde verläuft“, sagt er. Eine positive Seite habe das viele Daheimbleiben dennoch. Auch wenn die bereits ausgezogene Tochter momentan nicht zu Besuch käme, verbringe der Rest der Familie viel mehr Zeit zusammen.