Sprockhövel So viel Mühe steckt in einem Liter Milch
55 Liter trinkt jeder Deutsche im Jahr. Dafür müssen Bauern hart arbeiten. Die WZ hat sich in einem Bauernhof in Schee umgesehen und den Landwirten bei der Arbeit zugesehen.
Schee. Zum Frühstück eine heiße Tasse Kaffee mit einem Schluck Milch, dazu ein gesundes Müsli, auch das mit Milch — laut Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung lag der Pro-Kopf-Konsum an Milch in Deutschland 2014 bei knapp 55 Litern. Käse, Joghurt und Co sind da noch nicht eingerechnet. Doch wie viel Arbeit steckt eigentlich hinter so einem Liter Milch? Die WZ hat sich auf dem Hof eines Milchbauern umgesehen.
Wenn am Scherenberg in Schee der Betrieb losgeht, ist es noch dunkel. Schon ab sieben Uhr steht Andrius Varpiotas, den hier alle nur Andy nennen, im Stall. „Er ist die gute Seele auf dem Hof“, sagt Volker Stens, dem der Betrieb gehört. Dass es hier „erst“ um sieben losgehe, liege an den Milchrobotern, die Stens im Stall hat. „Sonst müssten wir sicher schon um 5.30 Uhr hier stehen und erst mal zwei Stunden melken, bis alle Kühe durch sind. Das gleiche dann nochmal am Abend“, sagt Stens.
Mit dem Melkroboter funktioniert das quasi von selbst: Vorne ist ein Trog mit Kraftfutter. Das sei für die Kühe wie Schokolade, erklärt der Bauer. Die Kühe gehen mehrmals am Tag von selbst zu diesem Trog. „Freien Kuhverkehr“ nennt man das. Das Gerät erkennt die Kennzeichnung der Kuh und weiß so, wie oft sie an diesem Tag schon zum Melken kam. Wenn die Kuh am Trog steht, reinigt eine kleine Bürste zuerst das Euter. Per Laser findet die Maschine von selbst die Zitzen und dockt an — gleich fließt die weiße Flüssigkeit durch die Schläuche in den Tank. Der fasst 11 000 Liter. Etwa alle drei Tage ist der voll. Dann kommt der Milchwagen.
Doch auch wenn das Melken auf Stens Hof automatisch funktioniert, gibt es für Andy genug zu tun. Morgens werden erst einmal die großen Tore geöffnet — frische Luft für die knapp 140 Milchkühe. Dann geht es ans Saubermachen: Stall ausmisten und neues Heu auf den Liegeplätzen der Kühe verteilen. Die lassen sich vom geschäftigen Treiben nicht stören und gehen den Tag eher ruhig an. Sie sind nicht angeleint und können sich im Stall relativ frei bewegen. Nach einer Weile recken sie dann aber doch die Köpfe in die Höhe: Hunger!
Mit dem großen Anhänger am Traktor fährt Andy in den Mittelgang und verteilt das Futter am Rand, wo die Kühe ihren Kopf durch das Gitter strecken. „Wir füttern kein Soja und nichts mit Gentechnik“, sagt Stens. Stattdessen bekämen die Tiere eine Mischung aus Getreide, Gras und Mais — das Getreide kommt aus eigenem Anbau. Für das nötige Eiweiß wird Raps untergemischt. An den großen Haufen, die Andy am Morgen verteilt, essen die Kühe den ganzen Tag. Mehrmals am Tag muss er das Futter näher an die Gitter schieben. Dabei vergisst er auch Washington nicht. Der Bulle hat einen eigenen kleinen Bereich in einer Ecke des Stalls. „Ihn mit den anderen zu halten, ist zu gefährlich“, sagt Ute Stens, die den Hof mit ihrem Mann betreibt. Die meisten Kühe würden künstlich besamt. Wenn das aber nicht klappe, komme Washington zum Einsatz.
Wenn die einen zufrieden futtern, packt sich Andy sieben große Eimer Milch und geht in den Stall nebenan. Zu den Kälbchen. Ab einer gewissen Größe trinken die nicht mehr direkt von der Mutter, sondern eben aus Eimern mit einem Sauger vornedran. Und die Kälber haben Durst: In wenigen Momenten sind die Eimer leer getrunken. Sieht man den jungen Tieren beim Trinken zu, wundert einen auch die Menge, die eine Milchkuh am Tag gibt nicht mehr ganz so sehr: Das sind knapp 32 Liter im Durchschnitt.
Neben der anstrengenden Arbeit im Stall gibt es für den Bauern und seine Mitarbeiter noch viele andere Aufgaben. „Milchproduktion wird stark kontrolliert. Wir müssen alles dokumentieren und genau festhalten“, sagt Stens. Über jedes Tier, dessen Milchabgabe und Gesundheitszustand wird genau Buch geführt. Das mache viel Arbeit und koste Zeit.
Wenn die Tiere gefüttert sind und der Stall ausgemistet ist, haben alle aber erstmal einen kleinen Moment zum Verschnaufen. Zum Aufwärmen geht es ins Haus zu einer heißen Tasse Kaffee. Und der Schluck Milch, der darin landet, schmeckt, wenn man gesehen hat, wie er in die Kanne kam doch noch ein bisschen besser.