Soziale Arbeit kann wettbewerbsfähig sein
Die Gefährdetenhilfe Wuppertal ist flügge geworden. Heute ist sie als Gesa ein modernes Sozialunternehmen, das wachsen will und sich dennoch seinen Wurzeln verpflichtet sieht.
Wuppertal. Schnelle Autos, schicke Textilien, sportlich, drahtig, mobil. Wer Ulrich Gensch zum ersten Mal sieht, könnte ihn glatt für einen Unternehmensberater handeln, für jemanden, der anderen sagt, was sie besser, billiger machen können, um am Ende mehr zu verdienen.
Und das Beste daran ist: Ulrich Gensch ist Unternehmensberater. Aber gleichzeitig ist er auch Geschäftsführer der Gesa, einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die aus der Wuppertaler Gefährdetenhilfe hervorgegangen ist. Der Widerspruch ist scheinbar. Gensch löst ihn mit Zahlen und Fakten auf, wenn er danach gefragt wird.
Die Gesa ist ein sogenanntes Sozialunternehmen, eine Firma, die es benachteiligten Menschen ermöglicht, ein Erwerbsleben zu haben. Wer nun aber an Frauen und Männer denkt, die an irgendetwas herumwerkeln, um eine Struktur im Alltag zu haben und ein bisschen Geld zu verdienen, der irrt. So sind Sozialunternehmen nicht. Das ist beispielsweise bei Proviel nicht so, bei der Lebenhilfe nicht, und auch nicht im Unternehmen des Beraters und Geschäftsführers Ulrich Gensch.
Vielleicht ist die Gesa den Schritt in die Marktwirtschaft am konsequentesten gegangen. Die Daten sprechen dafür. Gensch hat 130 Angestellte, sie erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz von zehn Millionen Euro. Für das laufende Jahr sind zwölf Millionen Euro angepeilt, ein Plus von 20 Prozent.
Möglich ist das auch, weil die Gesa heute mit einem Verein und dessen Strukturen nichts mehr zu tun hat. „Wir sind eine Stiftung“, erklärt Gensch. Innerhalb der Stiftung existiert die Gesa-Holding. Zu dieser Holding wiederum gehören verschiedene Dienstleistungs- und gewerbliche Betriebe. Die Gesa bildet in ihrer gleichnamigen Akademie weiter, Ventura fungiert als Personaldienstleister auf dem Gebiet der Zeitarbeit, die Gesa berät Menschen und hilft ihnen in den Arbeitsmarkt, als Grüntal recycelt den Gesa Elektroschrott, erzeugt und vermarktet Brennholz aus dem Bergischen Land, als Reditus verwaltet und vermarktet die Gesa Immobilien.
Drei große Gebäude hat sie in ihrem Bestand, dazu etwa 50 Sozialwohnungen. Aus der Gefährdetenhilfe ist ein Konzern geworden, ein Marktteilnehmer, der scharf kalkuliert, neue Geschäftsfelder auslotet und alte aufgibt, wenn sie keinen Gewinn mehr erwirtschaften. Für den Geschäftsmann Ulrich Gensch steht all das in keinerlei Widerspruch zu den kirchlichen Wurzeln, welche die Gesa hat. Sie ist teilweise Mitglied im Spitzenverband der Diakonie. „Aber auch für die Unternehmensteile, die das nicht sind, gilt unser Leitbild, das den Menschen in den Vordergrund stellt und unser Handeln mit der Versöhnungslehre Jesu Christi begründet“, sagt Gensch.
Das heißt allerdings nicht, dass es in der Zentrale an der Hünefeldstraße immer friedlich zuging. Als Gensch vor einigen Jahren die Geschäftsführung übernahm, nachdem er unter anderem jahrelang im Spitzenmanagement von Bosch gearbeitet hatte, ging es der Gesa nicht gut. Viele Aufgaben, wenig Geld, kein Ertrag. Und das in einem Sozialunternehmen, in dem das Wort Minderleistung und Kündigung traditionsgemäß eigentlich nicht vorkommen. Bei Gensch ist das anders. Er hat die Geschäftsleitung nach und nach ausgetauscht und deutlich verkleinert.
Soziale Arbeit muss rentabel sein, sonst ist sie nicht tragfähig und kann ihre Hauptaufgabe nicht erledigen: Menschen in ordentlich bezahlte Beschäftigung zu bringen, die es aufgrund ihrer Geschichte oder ihrer intellektuellen Leistungsfähigkeit im normalen Wirtschaftsalltag nicht leicht haben, die eigentlich keine Chance hätten. Das funktioniert nur, wenn die Dienstleistung, die so ein Unternehmen erbringt, sich mit den Dienstleistungen der Konkurrenz messen kann.
Die Gesa-Unternehmen können das offensichtlich. Der angepeilte Umsatz von zwölf Millionen Euro ist kein Wolkenkuckucksheim, sondern ein erreichbares Ziel. Und Umsatzwachstum ist die Welt von Ulrich Gensch. Er hält nichts von Fördertopf-Jägerei. Er will vermarktbare Arbeitsleistung, die unter würdigen Bedingungen entsteht. Deshalb denkt er ständig über neue Geschäftsfelder nach, zu denen in absehbarer Zeit vielleicht auch der Verkauf von Kaminöfen gehört, den Online-Handel mit Heimatholz gibt es bereits.
Gensch ist inzwischen 65 Jahre alt. Zeit in den Ruhestand zu treten? „Für mich nicht. Ich mache bis 70 weiter“, sagt er. „Und nebenbei berate ich noch andere Unternehmen.“ Zeit für die Leidenschaft bleibt aber immer noch: Zuletzt ist Gensch allein auf dem Motorrad zum Nordkap gefahren. „Mann, war das einsam. Aber man kommt zu sich.“