Wuppertal SPD-Politiker Arif Izgi: „Erdogan gibt den Türken ihren Nationalstolz wieder“
Der Wuppertaler SPD-Politiker Arif Izgi erklärt, wie sich der Konflikt zwischen Deutschland und der Türkei auswirkt.
Was bedeutet die Eskalation zwischen Deutschland und der Türkei?
Arif Izgi: Es erzeugt eine Spannung zwischen den hier lebenden Türken. Meine Empfehlung an die hier lebenden Türken und an die deutsche und türkische Regierung ist, den Ball flach zu halten. Wenn oben eine Spannung aufgebaut wird, wirkt das nach unten. Das hilft keinem. In Deutschland leben mehr als 150 Nationen. Wenn jede Nation in Deutschland Wahlkampf machen würde, hätten wir 365 Tage lang Wahlkampf. Gegen Informationsveranstaltungen habe ich nichts, gegen Wahlkampfveranstaltungen schon.
Wie verändert sich das Zusammenleben von Türken und Deutschen in Wuppertal durch den Konflikt?
Izgi: Es ist sehr wichtig, dass wir in Deutschland Meinungsfreiheit haben. Deshalb halte ich es für den falschen Weg, Auftritte von türkischen Politikern zu verbieten. Viele Türken kritisieren die deutsche Haltung. Ich habe den Eindruck, dass durch eine solche Auseinandersetzung die Dialogfähigkeit eingeschränkt wird und man nicht mehr miteinander spricht.
Warum sind die Menschen so begeistert von Erdogan? Bei der letzten Wahl erhielt er knapp 50 Prozent der Stimmen.
Izgi: Erdogan ist ein Politiker, der genau weiß, wie er mit seinem Volk umgeht und wie man Anhänger gewinnt. Viele Türken waren bestürzt darüber, dass die Europäische Union nichts unternommen hat nach dem Putschversuch des Militärs gegen eine frei gewählte und legitimierte Regierung. Die türkische Bevölkerung hat sich geschlossen gegen die Putschisten gestellt und war enttäuscht, dass gerade Deutschland nur zaghaft reagiert hat. Solche Ereignisse verstärken Erdogans Zuspruch. Zum anderen hat Erdogan Erfolg, weil die Türkei in den vergangenen 15 Jahren einen riesigen Sprung gemacht hat. Viele Menschen haben lange in Armut gelebt und profitieren jetzt von einer wirtschaftlich besseren Situation, einem Gesundheitssystem und Renten. Da sagen die Menschen, warum sollen wir Erdogan nicht wählen?
Sehnen sich die Türken wieder nach einem starken Herrscher wie zu Zeiten Atatürks?
Izgi: Seine Anhänger sehen ihn als großen Macher und Held. Die Türkei galt lange als der „kranke Mann vom Bosporus“. Erdogan verschafft den Türken Selbstbewusstsein, in dem er nicht allzu diplomatisch auftritt. Er ist für viele zu einer Figur geworden, der jedem kontert, der die Türkei klein machen will. Das stärkt den Nationalstolz und das Bewusstsein „Wir sind wieder wer“. Wirtschaftlich hat Erdogan viel erreicht. Wenn er diesen Erfolg nicht hätte, wäre er nicht soweit gekommen.
Warum macht die türkische Opposition in Deutschland nichts gegen Erdogan?
Izgi: Die türkische Opposition versucht, etwas zu bewegen, aber sie ist schwach. Sie müsste mehr Basisarbeit machen und an die Menschen herantreten und für ihre demokratische Richtung werben. Auch die Opposition in der Türkei muss sich mehr für demokratische Werte einsetzen und sich anstrengen, um auf das Niveau der EU zu kommen.
Gehören Sie als Sozialdemokrat auch zur Opposition?
Izgi: Ich bin kein türkischer Politiker, gehöre also in der Türkei zu keiner Partei. Ich bin hier heimisch und mache seit 30 Jahre Kommunalpolitik in Wuppertal. Was ich hier tun kann, tue ich, sowohl für Türken als auch für Deutsche. Ich kritisiere stark, was in der Türkei passiert. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern tun dem Zusammenleben nicht gut. Beide Seiten müssen etwas dafür tun, dass die Sache nicht eskaliert. Deutschland ist meine Heimat und ich will nicht, dass das Zusammenleben gestört wird.