Ehemalige Hitler-Straße: „Die Unmenschlichkeit macht mich fassungslos“
Michael Okroy führte Wuppertaler entlang der ehemaligen Adolf-Hitler-Straße.
Barmen. Verfolgung, Verurteilung, Mord: „Von der Mikrogeschichte der Stadt lernen wir viel über die Makrogeschichte der NS-Zeit“, sagt der Literatur- und Sozialwissenschaftler Michael Okroy. Als Mitarbeiter der Begegnungsstätte Alte Synagoge geht Okroy seit vielen Jahren den nationalsozialistischen Spuren in Wuppertal nach. Diesmal führte er interessierte Wuppertaler entlang der einstigen „Adolf-Hitler-Straße“ (ein Großteil der heutigen Friedrich-Engels-Allee). Dort erinnern noch zahlreiche Gebäude an den Terror der SA und an berüchtigte NS-Verbrecher.
Start der Tour war am Landgericht, wo Okroy die Teilnehmer ins Jahr 1935 entführte: Ein Denkmal erinnert dort als „Fingerzeig der Geschichte“ an die Gewerkschaftsprozesse. „Über 700 Wuppertaler Arbeiter und Arbeiterinnen sind in einem der größten Massenprozesse der NS-Zeit zu hohen Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verurteilt worden“, steht auf einer Tafel. Michael Okroy erzählt von den damaligen Gewerkschaftsstrukturen, von politischen Lagern und den Widerständen, die gerade in Wuppertal besonders ausgeprägt gewesen sein sollen.
Danach ging es nur wenige Meter weiter zum Amtsgericht. Eine alte Fotografie zog dort die Aufmerksamkeit aller Teilnehmer auf sich. Zu sehen ist Paul Heitmann, ein „fanatischer, NS-infizierter, Jurist“, so Okroy. Als Vorsitzender Richter des sogenannten Sondergerichts, das im Jahr 1942 in Wuppertal eingerichtet wurde, habe Heitmann über 400 Urteile gesprochen. 23 Mal sei sogar die Todesstrafe verhängt worden.
„Das Bild vom kurzen Prozess hat durchaus eine historische Bedeutung. Das Sondergericht erlaubte es schnell zu urteilen, ohne dass Widerspruch eingelegt werden konnte“, erklärt Michael Okroy. „Allein die Mentalität des Täters oder sein Charakter waren ausschlaggebend.“ Die Teilnehmer der Führung sind betroffen. „Es ist die Unmenschlichkeit, die mich auch heute noch fassungslos macht“, verrät Monika Moschüring.
An insgesamt acht Stationen, die entlang der Haspeler Straße (dem Areal der alten Kniestraße) über die Friedrich-Engels-Allee zum Polizeipräsidium führen, tauchten die Zeitreisenden immer wieder ab — bis der Streifzug schließlich in der Gegenwart endete.