„Lebendige Bibliothek“: Muslime sprechen über ihren Glauben
Im Ramadan-Zelt ist auch das umstrittene Kopftuch ein Thema.
Barmen. Warum konvertiert eine Christin zum Islam? Und weshalb tragen junge Musliminnen ein Kopftuch? Diese und andere Fragen drängen sich geradezu auf, wenn es um das Thema Islam geht. Fragen, manchmal sind es auch einfach Vorurteile.
Im Rahmen der "lebendigen Bibliothek", die in den vergangenen Tagen auf dem Johannes-Rau-Platz in Barmen Station machte, konnten Fragende auf Antworten hoffen. Das war auch Ziel der Veranstaltung, die von der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz und vom Institut für Bildung und Integration gefördert wurde. Das Prinzip war so einfach wie originell: Anstelle von Büchern konnten Gesprächspartner in einem Ramadan-Zelt "ausgeliehen" und wie ein offenes Buch "gelesen" werden, indem sie ihre ganz persönlichen Geschichten erzählten.
So auch Rahel (22), die zum Islam konvertierte. Sie erzählt: Der Islam war in ihrem Leben immer präsent. Viele ihrer Freunde gehören der Glaubensrichtung an und ihr Bruder konvertierte bereits vor ihr. Dann kam der Stein ins Rollen. Ob Rahel mit gerade mal 19 Jahren auch ohne fremde Anstöße übergetreten wäre, bleibt offen. Während eines Praktikums in Frankreich fand sie genügend Abstand, um ihre religiösen Vorstellungen neu zu ordnen. "Durch den Islam habe ich viele Antworten bekommen. Der Islam hat mir in religiöser Hinsicht, aber auch für das alltägliche Leben, viele Kenntnisse gebracht", erzählt sie und lacht, als es darum geht, ein Beispiel zu nennen.
Das im Christentum vermittelte Gottesbild fand sie immer unverständlich. "Ich habe nie verstanden, warum ich in die Kirche gehen muss, um Gott nah zu sein. Im Islam ist das anders - da bin ich für mich selbst verantwortlich", sagt sie. Wie weit diese Eigenverantwortlichkeit geht, bleibt indes fraglich, Rahel möchte trotz mehrfacher Nachfrage ihren Nachnamen nicht nennen. Im Gespräch wirkt sie unsicher, fast zu zurückhaltend. Ein fester Glaube stellt sich oft anders dar.
Dass Hana El-Qasem (28) und Saloua El-Kabdi (23) Musliminnen sind, erkennt man auf den ersten Blick. Allein ihr Kopftuch verrät, welcher Glaubensrichtung sie angehören. Seit der siebten Klasse trägt Saloua das Kopftuch, Hana schon seit sie elf ist. Das Kopftuch-Tragen ist im Islam kein Muss, aber eine religiöse Pflicht, behaupten die jungen Frauen. Familiäre Zwänge oder traditionelle Wertvorstellungen, die das Kopftuch zur unvermeidlichen Pflicht machen, das weisen sie zurück: "Die Pflicht, ein Kopftuch zu tragen, sollte nicht erzwungen werden", sagt Hana ganz selbstbewusst.
Sie selbst hat das Kopftuch jedoch als eine ihrer religiösen Pflichten anerkannt: "Das Kopftuch ist eine von vielen religiösen Pflichten, und die versuche ich so gut wie möglich zu erfüllen." Selbst wenn die Entscheidung frei war - das Leben mit der seidigen Kopfbedeckung ist für sie nicht leicht. "Als Kopftuchträgerin begegnet man vielen Vorurteilen und wird in Schubladen gesteckt." Häufig werde sie als ungebildet abgestempelt, der deutschen Sprache nicht mächtig. Darüber kann Saloua nur lachen: "Ich werde immer wieder dafür gelobt, wie gut ich Deutsch sprechen kann. Der Witz ist, dass ich Deutsch studiere und später Lehrerin werden will."