Nach langer Reise heimgekehrt
66 Jahren nach seinem Tod konnte Inge Kuhlmann ihren Vater Walter Kuhlmann bestatten.
Nächstebreck. "Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine, die ich nun weiter nicht beweine, ruht wohl und bringt auch mich zur Ruh!" Diese Verse aus der Johannes-Passion Johann Sebastian Bachs drücken wie keine anderen Worte aus, was Inge Kuhlmann in den vergangenen Wochen und Monaten durchgemacht hat.
Ihr Vater fiel vor 66 Jahren im Zweiten Weltkrieg - fünf Monate vor ihrer Geburt. Durch Zufall fand sie vor fast drei Jahren über den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VdK) sein Grab in Russland und bemühte sich seit dem Sommer 2008 darum, den Vater in der Heimat bestatten zu können.
Die letzten Wochen des Wartens sind die Schlimmsten. Am 30. November kommt die ersehnte Nachricht, dass die Gebeine ihres Vaters am 17. Dezember mit der Fähre aus Helsinki in Rostock ankommen. Inge Kuhlmanns Kontakt in Russland, Lisa Lemke, wird den Sarg mitbringen. Um 7Uhr steht die Wuppertalerin am Kai des Überseehafens.
Die Gebeine ihres Vaters haben einen weiten Weg hinter sich. Von St.Petersburg mit dem Auto nach Finnland und von dort durch estnische, lettische, litauische, schwedische, polnische und dänische Hoheitsgewässer nach Deutschland. Das letzte Stück Weg - von Rostock nach Wuppertal - geleitet ihn seine Tochter. Den Sarg nimmt sie mit in ihre Wohnung. Eingehüllt in eine Decke steht er in ihrem Arbeitszimmer. Täglich läuft sie daran vorbei, zwölf Tage lang hat sie ihren Vater nur für sich - auch an Weihnachten.
Der endgültige Abschied fällt ihr schwer - obwohl sie ihren Vater nie kennengelernt hat, gehört er für sie doch einfach hierher. Zur Trauerfeier am Montag sind neben ihrer Cousine auch Mathhias Krebbers und dessen Ehefrau gekommen. Er war es, der das Grab ihres Vaters ausfindig gemacht habe. Auch acht Mitglieder vom Verband der Reservisten, unter ihnen Krebbers, sowie zwei aktive Soldaten des Landeskommandos sind gekommen.
Ein Netz aus weißen Rosen bedeckt den kleinen Gebeinesarg in der Friedhofskapelle am Bracken. Zu den Klängen der Johannespassion trägt ihn nach dem Gottesdienst einer der Reservisten zum Familiengrab der Kuhlmanns, wo Walter Kuhlmann neben seiner Frau seine endgültig letzte Ruhe findet. Die Reservisten stehen stramm, Vikar Johannes de Vries segnet den Sarg. Inge Kuhlmann ist gefasst und am Ende zwar noch aufgewühlt, aber auch erleichtert. Sie hat, wie es Vikar de Vries schon in seiner Trauerrede sagte, endlich die Möglichkeit, ihren Frieden mit ihrem Vater zu machen.
"Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine, die ich nun weiter nicht beweine, ruht wohl und bringt auch mich zur Ruh!"