Hermann Schulz über Besessenheit und Gewalt

Hermann Schulz stellte im Fotostudio Hensel seinen neuen Roman „Die Nacht von Daressalam“ vor.

Foto: Fries, Stefan (fr)

Croneberg. Daressalam. Eine Hafenstadt in Ostafrika. Die größte Stadt in Tansania. Der Kalender zählt das Jahr 1938. Unterdrückung. Ausbeutung. Freundschaft? Aus der Undeutlichkeit der bestehenden Verhältnisse helfen die deutlichen Zeilen von Hermann Schulz heraus. In seinem neuen Roman „Die Nacht von Daressalam“ schildert der Schriftsteller die Begegnung eines jungen Afrikaners mit einem Missionar. Erzählt werden die Ereignisse der letzten 24 Stunden, die die beiden Protagonisten miteinander verbringen.

Zum ersten Mal gab Hermann Schulz am Samstag im Rahmen von „Literatur auf dem Cronenberg“ einen Höreindruck seines 220 Seiten starken Romans.

Die Plätze im Fotoatelier Hensel an der Hauptstraße sind voll besetzt. Gespannt lauschen die Zuhörer der ruhigen Stimme von Hermann Schulz, die in eine andere Zeit entführt. „Ich lasse mich einfach mal überraschen“, sagte Besucherin der Lesung Torda Radtke kurz vor Beginn. Einige Zeit später scheint sie versunken.

Es geht um Besessenheit und Gewalt, letzte Worte einer Sterbenden, die jegliche Bekehrung ablehnte, um Totschlag oder die Operation eines Kindes ohne Narkose. Erzählt wird eine Nacht intimer Gespräche über aufwühlende Ereignisse aus der gemeinsamen Zeit — geschildert aus der Perspektive von Ndasenga, dem Afrikaner. „Ich habe das gesamte Buch viermal umgeschrieben, weil ich lange nach der richtigen Perspektive gesucht habe“, verrät Autor Hermann Schulz. Über fünf Jahre lang hat er an seinem neuen Roman gearbeitet, der im August 2014 erscheinen wird. Metaphorische Ausschmückungen, Rückblenden, Zeitraffung — das alles ist darin enthalten. Es geht um den individuellen Fall eines einzelnen Europäers, der aus einem Unrechtsystem als guter Mensch heraustritt. Dabei arbeitet Hermann Schulz die Ambivalenz des bestehenden Verhältnisses zwischen dem Missionar und seinem „Boy“ Ndasenga literarisch heraus.

„Die Frage ist, ob man in einem Unrechtsystem ein gerechtes Leben führen kann“, so Schulz, der selbst in Afrika geboren wurde und dort 14 Jahre lang gelebt hat. Heute wohnt er in Wuppertal. Seine Vorliebe galt und gilt der Literatur Lateinamerikas und Nicaraguas. Nach Johannes Rau übernahm er die Leitung des Peter-Hammer-Verlags. Neben der Verleihung des Von-der-Heydt-Preises im Jahr 1981 erhielt er den Kunst- und Kulturpreis der internationalen Verständigung.