Interview Haben Buchhändler noch eine Chance?

Wuppertal · Michael Kozinowski, Inhaber der Elberfelder Buchhandlung „von Mackensen“, im Gespräch über die Herausforderungen der Branche.

 Michael Kozinowski will in seiner Buchhandlung in der Laurentiusstraße nicht allein dem Zeitgeist, sondern seinem Geschmack folgen.

Michael Kozinowski will in seiner Buchhandlung in der Laurentiusstraße nicht allein dem Zeitgeist, sondern seinem Geschmack folgen.

Foto: Andreas Fischer

Herr Kozinowski, Sie sind seit über 30 Jahren Buchhändler. Wie steht es um die Branche? Hat sie in Zeiten von Internet und neuen Medien noch eine Zukunft?

Kozinowski: Ich mache mir wenig Sorgen, dass es bald keine Buchhandlungen mehr gibt. Viele Kollegen neigen immer wieder zu Pessimismus oder Angst. Als die großen Kinoketten entstanden, dachten sie, jetzt gehen die Leute nur noch ins Kino und kaufen keine Bücher mehr. Als der PC kam, dachten sie auch, jetzt ist die Zeit des Buches vorbei. Aber so war es nicht. Umbrüche und Veränderungen gibt es immer.

Zum Beispiel?

Kozinowski: In letzter Zeit ist viel passiert. Nehmen Sie die Corona-Jahre. Die waren für uns als Buchhändler sehr erfreulich. Die Menschen hatten so viel Zeit wie nie. Sie konnten nicht rausgehen, nicht essen gehen, und kein Konzert besuchen. Aber es gab Bücher. Ein Buch ist etwas Langlebiges, etwas Befriedigendes, etwas, das Glück verströmt und vielleicht auch Trost spenden kann. Seit dem Ukraine-Krieg ist das anders. Wir merken, dass die Kundenzahlen nicht mehr so sind, wie in den Jahren davor.

Woran liegt das?

Kozinowski: Ich denke, das hat viel mit Zukunftsängsten zu tun. Die haben seit dem Krieg zugenommen. Öl, Gas und Strom sind teurer geworden. Dazu die Inflation. Da hat die Freude, durch die Innenstädte zu bummeln, deutlich nachgelassen. Das ist nicht nur in Wuppertal so. In Elberfeld kommt hinzu, dass die Innenstadt voller Baustellen und ungepflegt ist. Sie wirkt schmutzig und unattraktiv.

Sind Bücher mittlerweile vielleicht auch zu teuer?

Kozinowski: Die Preissteigerungen der letzten Jahre sind an Büchern vorbeigegangen. Deswegen müssen sie teurer werden. Wenn ein Roman 20 oder 22 Euro kostet, ist das einfach nicht mehr rentabel. Aber ja, bestimmte Bücher sind bereits deutlich teurer geworden. Bildbände zum Beispiel.

Wird heute weniger gelesen als früher?

Kozinowski: Das lässt sich schwer sagen. Allgemein wird sicher mehr gelesen, weil jeder, der ein Handy hat, liest und schreibt ja unentwegt. Die Frage ist, ob das alles Buch-Leser sind. Das glaube ich nicht. Das Leseverhalten hat sich insgesamt verändert. In Asien haben einige Verlage darauf reagiert. Als die Smartphones aufkamen, haben sie den Menschen, die mit der U-Bahn unterwegs waren, Romane aufs Handy geschickt. Das Kapitel war dann genauso lang, wie die Fahrt dauerte und wenn sie am nächsten Tag wieder einstiegen, bekamen sie das nächste Kapitel.

Haben sich Corona und der Ukraine-Krieg auch in den nachgefragten Themen niedergeschlagen?

Kozinowski: Während Corona haben die Leute mehr „schöne“ Literatur bei uns nachgefragt. Keine Erbauungsliteratur, aber schön sollte sie sein. Was mit Beginn des Krieges enorm zugenommen hat, war die politische Literatur. Warum verhält sich Russland so? Wie ist die Beziehung zwischen Russland und Deutschland? Aber das ist auch schon wieder vorbei. Was sich aktuell als Trend entwickelt, kann ich gar nicht sagen. Das hat damit zu tun, dass wir keine Mainstream-Buchhandlung sind. Wir haben eine hohe Übereinstimmung von unserem eigenen Geschmack und dem unserer Kunden. Wenn mich ein Buch anlacht und persönlich interessiert, dann denke ich immer, das wäre ein gutes Buch für uns. Und oft fallen mir dann auch direkt Kunden ein, wo ich genau weiß, der interessiert sich auch für Ägypten oder für Schach oder was auch immer. Und dann bestelle ich das. Die meisten sind ja Stammkunden. Von Warenwirtschaft allein lasse ich mich ungern treiben.

Wie viel Leidenschaft für Bücher braucht es, um eine Buchhandlung zu betreiben?

Kozinowski: Leidenschaft braucht man für jedes Geschäft. Sonst kommt man nicht weit. Meine Mitarbeiter lesen alle selber gerne. Zum Glück. Das ist ja das Pech der großen Ketten, dass sie nur am Profit interessiert sind und nicht an den Inhalten oder der Form. Viele Kunden merken das.

Was macht für Sie den Reiz eines gedruckten Buches aus?

Kozinowski: Das ist ähnlich wie bei CDs. Ich möchte etwas in der Hand haben. Mir ist wichtig, wie ein Buch aussieht und wie es sich anfühlt. Bücher haben zudem einen ganz eigenen Geruch. Auch mit E-Books konnte ich mich nie anfreunden. CDs kaufe ich heute übrigens immer noch. Ich möchte etwas zum Anfassen haben und nicht einfach die Musik über einen anonymen Streaming-Dienst hören.

Wie viele Bücher haben Sie zuhause?

Kozinowski: Zu viele. Vom letzten Umzug stehen noch acht Kisten im Keller, die nicht ausgepackt sind. Ich wusste nicht mehr, wohin damit.