Veranstaltungen Stew.one: Der Kultur-Eintopf gegen die Corona-Krise

Mirke. · „Piratensender“ der Utopisten bietet täglich ein Streaming-Programm – vom Talk über Märchen-Lesungen bis zu Konzerten.

Philippine Pachl Märchen

Foto: Screenshot Stew.One

Die Idee kam den Utopisten beim Bierchen. Im Café Hutmacher. Kurz bevor auch dort das vorzeitige Kneipen-Aus kam. Als sich bereits abzeichnete, dass  das Virus namens Covid-19 weitreichende Folgen gerade im Kulturbereich haben wird. Mosche Kohlstadt, Mats Wendel und Julian Schulz wollten einen Weg finden, das kulturelle Leben in der Corona-Krise irgendwie am Laufen zu halten. Stew.one war geboren: Ein Streaming-Portal im Internet, das täglich ab 12 Uhr Programm bietet. Vom Talk über Märchenlesungen bis hin zu Konzerten etwa von Horst Wegener. Die Zuschauerzahl liegt bislang bei mehr als 8000.

Dass „Stew“ im Englischen für einen Eintopf steht, passt. Denn die Zutaten sind bunt gemixt. Passenderweise ist demnächst sogar eine Kochshow geplant „Vieles ist möglich“, sagt Johannes Schmidt, ebenfalls Utopist, der sich mit ums Programm kümmert — und demnächst mit drei Freunden als „Stammtisch“ selbst Bestandteil desselben.

Sei dem Auftakt dabei ist David J. Becher dabei. Täglich ab 12 mit „Dem der liebe J. sein Morgengruß“. Eigentlich wäre Becher jetzt auf Tour mit dem Vollplaybacktheater — doch die hat Corona vorerst gestoppt. Die Zwangspause nutzt er für „kreative Herausforderungen“. Viel Spaß sei dabei, „schließlich wollte ich als Kind schon Radiomoderator werden.“

Oft streamen die Beteiligten aus dem eigenen Wohnzimmer, die Qualität ist von der Internetgeschwindigkeit abhängig. Stew.one sei schon eine Art Piratensender, räumt Schmidt ein. Legal? Illegal? „Wir haben es einfach gemacht“, sagt er. Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Mit der Gema sei man natürlich in Kontakt, habe zum Beispiel eine Lizenz für ein Webradio erworben. Aber ob das reicht? Man hoffe in der Krise auf ein Entgegenkommen. Schließlich soll die Plattform das Überleben der Kulturszene sichern. Auftritte, Konzerte und Aktionen werden ins Netz verlegt. Dazu gibt es Spendenbuttons.

Die Szene rückt durch das Coronavirus zusammen

Auch ein Solidarpakt ist in Arbeit. Dann sollen alle Beteiligten profitieren. „Es geht darum, Kräfte zu bündeln“, erklärt Schmidt. Denn wenn Corona überhaupt irgendeine positive Seite habe, dann die: „Die Szene rückt zusammen.“ Börse, Mauke, das Freie Netzwerk Kultur und viele andere: Hinter Stew.one stehen mittlerweile mehr als 60 Künstler, Vereine, Institutionen — Tendenz steigend. Auch mit der Stadt sei man in Kontakt. „Die hat natürlich ein Interesse, dass sich die Leute beschäftigen können“, sagt Schmidt. „Und sie ist sich der Lage der Kultur bewusst.“

Schauspielerin Philippine Pachl ist gerne Zutat des Eintopfes. „Auch als Veganerin“, sagt sie lachend. Ihre Märchenlesungen, die sie in Coronazeiten anbietet, gibt es seit dem Start von Stew.one auch dort. „Wuppertal hat eine tolle freie Szene. Ich finde es einfach schön und wichtig, dass alle zusammenarbeiten“, sagt Pachl, die beim Schauspiel Wuppertal unter Vertrag steht, derzeit aber auch bühnenabstinent leben muss. Sie selbst hat einen zehnjährigen Sohn. Kinder, sagtsie, haben eine starke Wahrnehmung. „Sie wissen, dass das gerade keine normale Zeit ist.“ Die Märchenstunde, immer live vom Ölberg gestreamt, soll eine gewisse Zuflucht bieten. Und das kommt an. „Das Feeedback ist unglaublich. Damit hätte ich nie gerechnet“, sagt Pachl, die für ältere Zuschauer auch ein Soloprogramm mit ihren Alter Egos an.

Wichtiger Bestandteil des Programms sind natürlich auch Konzerte, betont Schmidt. Die erfolgreiche Reihe „Only Hut“ läuft praktisch im Internet weiter. Das schafft besondere Situationen. Olly, Leadsänger der Londoner Band „The King‘s Parade“,die bereits mehrfach in der Mirke zu Gast war, lockte mit einem Soloauftritt aus der Quarantäne vor die Rechner.

Man sei offen für alles, sagen die Macher. Das hebt auch Christoph Grothe hervor. Er leitet das Engels2020-Projektbüro, ist aber auch Aktivist der IG Fahrradstadt in Wuppertal bekannt. Beide Themen, ist er überzeugt, lassen sich auch bei Stew.one unterbringen. „Es ist auch toll, dass das Portal so schnell umgesetzt wurde“, sagt Grothe.

Und demnächst könnte es sogar tierisch werden. Im Grünen, aber zur Zeit besucherlosen Zoo steht bald die nächste Elefantengeburt an. Die zu streamen, „könnte ich mir auch vorstellen“, sagt Schmidt. Oder den neuen rüsseligen Erdenbürger in seinen ersten Tagen auf der Welt online zu begleiten.