Tafel: Los bestimmt die Reihenfolge

In der Ausgabestelle Friedrich-Ebert-Straße nützt Drängeln nichts. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter achten auf eine gerechte Verteilung.

Foto: Stefan Fries

„Nein, mehr kann ich nicht geben“, sagt die Helferin geduldig dem Herrn, der Lebensmittel für einen zwei Personenhaushalt in seine Tüte räumt - und gern ein weiteres Päckchen Erdbeeren hätte. „Andere haben fünf Kinder“, sagt die ehrenamtliche Mitarbeiterin erklärend. Der ältere Herr zieht weiter. Und wie er sind am gestrigen Tag alle Gäste des Tafelladens an der Friedrich-Ebert-Straße 264 friedfertig.

Ab 14 Uhr hat das Lädchen offiziell geöffnet, kurz vorher erreicht ein Lieferwagen der Tafel das ehemalige Geschäftslokal. Plastikkiste um Plastikkiste wandert in den kahlen Raum, in dem einfache Tische in Hufeisenform stehen. Rund ein Dutzend Helfer verteilen die Kisten in rot, orange, gelb und grün auf die Tische: Brot, Brötchen und Plätzchen auf eine Seite, Obst in die Mitte, Gemüse auf die andere Seite.

Draußen warten derweil gut 20 Menschen - wegen der Kälte seien es wenig, sagen die Mitarbeiter. Es sind Männer mit Wollmützen, Frauen mit dicken Mänteln und Schals, einige mit Kopftuch. Die meisten sind eher mittleren Alters bis älter, junge Leute gibt es kaum. Nachfragen, ob es immer so friedlich ist, kann oder mag keiner beantworten. „Wir sind russisch, wir verstehen nicht viel“, sagt eine ältere Frau.

Nummern werden aufgerufen, etwa fünf gleichzeitig. Denn die ehrenamtliche „Chefin“ des Ladens, die in der Zeitung nur als „Frau Große“ auftauchen möchte — „muss nicht jeder wissen, was ich alles tue“ — hat zuvor Lose ziehen lassen. Und die bestimmen die Reihenfolge, in der die Gäste das Geschäft betreten. Früher hätten sich schon Menschen ab 7 Uhr angestellt, um die ersten zu sein, das sei durch die Lose nicht mehr so.

Viele haben Einkaufstrolleys dabei, andere ziehen verschlissene Stoffbeutel oder vielfach benutzte Tüten aus den Jackentaschen. Die Helfer bieten ihnen alles an, manchmal schüttelt einer den Kopf, zeigt auf das, was er lieber hätte. Die Helferin am Obsttisch hat Spaß an Kommunikation: „Him-beeren“ spricht sie einer Frau vor, die spricht es nach.

Es gibt alles mögliche von Radieschen bis Kartoffeln, von Tortellini bis Keksen. Vieles sieht noch frisch aus, aber die Gurken wirken schlapp, die Auberginen glänzen nicht mehr. Sie werden trotzdem genommen. Einige Gäste sagen „danke, danke“. Andere verstauen alles stumm. Die Helfer achten darauf, wie viel jeder erhält: Sie kennen fast alle und wissen, wie viele Personen zur „Bedarfsgemeinschaft“ gehören. Manchmal gebe es schon Ärger, sagt Frau Große. Ein Mann sei neulich rabiat geworden. „Da habe ich mich vor ihm aufgestellt, ihm erklärt, dass er ruhig sein soll oder gehen. Und der Ausweis bleibt hier.“ Heute sei er ganz freundlich. „Zur Not rufen wir die 110.“ An diesem Tag ist das nicht nötig. Am Ende tauchen Ananas auf. „Die hole ich immer erst am Schluss, wenn fast alles weg ist. Dann freuen sich alle“, erklärt die Helferin vom Obsttisch.