Tagesmütter sollen zahlen
Ab 2009 müssen Tagesmütter mehr Steuern zahlen – eine neue Hürde für die Kinderbetreuung?
Wuppertal. Für Kinder wie dem einjährigen Finn ist das ein wahres Spielparadies: Gemütliche Zimmer mit Holzmöbeln, ein großer Garten hinter’m Haus und auch der Zoo ist nicht weit weg. Sonja Grob und ihr Mann haben vier eigene Kinder, die schon alle zur Schule gehen: Kevin (14), Alicia (11), Janina (9) und Denny (8). Doch damit nicht genug, Sonja Grob betreut als Tagesmutter noch fünf Kinder, die alle nicht älter als drei Jahre sind - unter ihnen auch Finn. Weitere Mitbewohner bei Familie Grob sind: zwei Katzen, ein Hund und eine Schildkröte.
Die Betreuung von Finn und anderen Kindern wird auf eine neue finanzielle Belastungsprobe gestellt: Ab 1. Januar 2009 müssen Tagesmütter und -väter, die über das Jugendamt vermittelt werden, erstmalig Sozialversicherung zahlen und auch die Steuern sind neu geregelt (siehe Kasten).
Werden viele wegen der neuen finanziellen Belastung den PflegeJob aufgeben? Sozialdezernent Stefan Kühn verneint die Frage und fügt hinzu: "Zu den neuen Regelungen haben wir eine Diskussion wahrgenommen. Es herrscht Unsicherheit, doch die meisten bleiben schon bei der Stange." Stadtbetriebsleiterin Cornelia Weidenbruch weist darauf hin, "dass nur der Teil, der über das Jugendamt vermittelt wird, steuerpflichtig ist."
"Problematischer als das Steuerrecht ist die Sozialversicherung", sagt Kühn. Dem stimmt Sonja Grob zu: "Da wird wohl eine hohe Rechnung kommen." Bisher sei sie selbst gar nicht über den Freibetrag hinaus gekommen, so dass nichts hätte versteuert werden müssen.
Finanzielle Hürden könnten zum Verhängnis werden in einem Land, in dem es an Kita-Plätzen fehlt und im Bereich der Kinderbetreuung Verbesserungsbedarf besteht. Für Sonja Grob ist die Betreuung durch Tagespflegeeltern wichtiger Teil des Gesamtkonzeptes. Wenn ihre eigenen Kinder und die betreuten Kinder zusammen sind, profitieren alle: "Die lernen auch voneinander. Wenn ich die beiden Einjährigen zusammen habe, laufen sie um die Wette und wollen beweisen, dass sie zum Beispiel auch allein essen können", erzählt Sonja Grob.
Sie hat eine Ausbildung als Kinderpflegerin absolviert und hat vor zehn Jahren den Qualifikationskurs zur Tagesmutter gemacht. Zusätzlich leistet Grob Erziehungshilfe bei Familien in problematischen Verhältnissen. Zurzeit betreut sie fünf Unter-Drei-Jährige. Da liegt auch der Hauptbedarf, wobei in Wuppertal nicht alle Plätze nachgefragt werden, wie Sozialdezernent Stefan Kühn erklärt. Trotzdem: "Wir haben die Tagespflege deutlich ausgebaut - von 80 auf über 300 Plätzen", sagt Kühn. Die Stadt hält regelmäßig Kontakt zu den Tagespflegeeltern. Bei Problemen schreitet die Aufsichtsbehörde ein und auf Anfrage werden die 90 Tagesmütter und die zwei Tagesväter auch vermittelt.
Sonja Grob wird sich nicht von den Kosten abschrecken lassen, sie wollte schon immer gern mit Kindern arbeiten. Die Kinder von einer Tagesmutter betreuen zu lassen, hat aus ihrer Sicht viele Vorteile: "Die Kinder werden nicht einfach so abgegeben. Dieses Gefühl hat man ja oft, wenn man sie in eine Kita gibt. Hier gehen die Kinder von einer Familie in die nächste - und das spüren auch die Kinder", sagt Grob.
Trotzdem haben fast alle Eltern anfangs ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihre oftmals nur wenige Monate alten Kinder in die Obhut einer Tagesmutter geben. In Deutschland gebe es noch viel Verbesserungsbedarf. Kindererziehung habe heute oft mit Klischees zu tun, kritisiert die Tagesmutter: "Es ist alles so festgelegt. Man erwartet, dass die Kinder mit drei Jahren sprechen können. Aber Kinder müssen Freiheiten haben und sich in Ruhe entwickeln können." Dass Finn und seine Pflegegeschwister dies bei Familie Grob in Ruhe können, spürt man spätestens, wenn Finn lachend mit Katze Lucy spielt und dann seine Pflegemama Sonja Grob anstrahlt.