Under Construction Tanztheater Pina Bausch: Das „Archiv der Träume“ füllt sich

Wuppertal · Gesamtschüler haben geschrieben und aufgezeichnet, was für sie Tanz bedeutet. Herausgekommen sind ganz unterschiedliche Ergebnisse.

Tanz kann auch Ausdruck von Meditation sein. Das zeigt diese Zeichnung.

Foto: Tanztheater Pina Bausch Wuppertal

Träume sind Schäume? Die Macher des digitalen Festivals „Under construction“ sehen das anders. Bei der Aktion „Archiv der Träume“ sammeln sie Ideen, die in die Gestaltung und Nutzung des künftigen Pina Bausch Zentrums einfließen sollen. „Wann tanzt du? Wo fühlst du dich wohl? Was wünschst du dir für die Zukunft?“ So hießen die Fragen, die seit Oktober an ganz unterschiedliche Gruppen in der Stadt gegangen sind: Schüler und ältere Menschen, alleinerziehende Mütter und Geflüchtete. Die Befragten haben Bilder gemalt und gezeichnet, sie mit Texten ergänzt. Wer es schlichter haben wollte, konnte auch gern eine E-Mail oder einen Brief schreiben.

Die ersten Erträge der Ideen-Ernte wurden am Wochenende gestreamt – live aus dem Schauspielhaus, das bis zum Ende des Festivals am 29. November als Aufnahmestudio dient. Studiogast war Julia Bögeholz von der Pina Bausch Gesamtschule. Die Kunstlehrerin und ihre Kollegen haben Schüler von der 5. Klasse bis zur Oberstufe in die Aktion mit einbezogen.

So ist die Gesamtschule in Vohwinkel schon jetzt mit rund 360 Beiträgen im „Archiv der Träume“ vertreten. „Ich bin dankbar, dass unsere Schüler das so ernst genommen haben“, sagte Bögeholz. „Es wird anschaulich oder abstrakt gemalt – in jedem Fall ist alles sehr authentisch.“ Die Träume, die die 10- bis 18-Jährigen in Bild und Text festgehalten haben, sind für sie Inspirationsquellen. „Träume können wir nutzen, um mit ihnen etwas zu unternehmen und zu produzieren.“ Im Gespräch mit Projektleiter Marc Wagenbach stellte sie eine Auswahl der Vorstellungen und Wünsche vor.

Man tanzt, wenn man glücklich ist – eine Antwort, die sich in Beiträgen quer durch die Generationen findet. Dabei ist aufschlussreich, wo die Teilnehmer den Tanz verorten. Mehrfach sah der Zuschauer Bilder von Leuten, die sich unter einer glitzernden Diskokugel bewegen. Diese „Partyvariante“ (Bögeholz) ist in Lockdown-Zeiten natürlich schwer zu haben. Coronakompatibel ist hingegen der Solo-Tanz in der freien Natur. Die Zeichnung eines Mädchens, das barfuß im Wald Pirouetten dreht, gefällt durch das originelle Motiv und die detailreiche Ausführung.

Allerdings hat Bögeholz in den vergangenen Wochen nicht selten die Aussage „Ich tanze gar nicht“ gehört. Dieser Unlust will sie entgegenwirken – nicht nur in ihrem Kurs „Darstellen und Gestalten”. Wenn die Tanzmuffel im Unterricht „eine Bewegung vormachen, können wir Lehrer sagen: Das ist ja ein Tanz“. Tanzen sei eben ein Prozess, der mit einer Bewegung beginne. „Richtig interessant wird es“, berichtete sie, „wenn die Schüler sich gegenseitig zuschauen und feststellen: Du hast diese Bewegung – und ich hab diese Bewegung. Und wenn sie dabei eine Ähnlichkeit erkennen.“ Diese Kommunikation findet die Pädagogin „unglaublich wichtig“.

Jugendliche wünschen sich, dass die Schule offen bleiben kann

Gerade an ihrer Schule, wo es so „unterschiedliche Menschen, Lebenswelten, Kulturen“ gebe. Und die Fragen nach Gemeinschaft und Toleranz habe eben auch das Tanztheater von Pina Bausch gestellt.

Wie wohl sich die Jungen und Mädchen in den eigenen vier Wänden fühlen, zeigen Bilder vom eigenen Bett und heimischen Computer,. Aus diesem Für-Sich-Sein dürfe aber keine „Lethargie“ werden, betonte Bögeholz. „Wir müssen verhindern, dass die Kinder sich einkapseln.“ Dass sie in den vergangenen Monaten viel allein gewesen sind, ist auch den Schülern bewusst. In ihren Beiträgen wünschen sie sich nicht bloß mehr familiäre Geborgenheit. Etliche beziehen die Frage nach der Zukunft auf ihre schulische Situation. „Bitte nicht schließen“, zitierte Bögeholz aus den Antworten. „Da ist immer wieder der Wunsch, dass die Schule nicht zumacht.“

Auch wenn sich schon viele fleißig am „Archiv der Träume“ beteiligt haben – es soll sich weiter füllen. „Man kann uns weiterhin Antworten, Bilder oder Collagen zuschicken“, so Marc Wagenbach. Geplant ist außerdem, die eingesandten Bilder und Texte auf die Wände des Schauspielhauses zu projizieren. Auf dass sie die Öffentlichkeit bekommen, die sie verdient haben.