Terroranschläge in Brüssel: „Draußen roch es wie nach Silvester“

Der Wuppertaler Nicholas Goedeking lebt und arbeitet in Brüssel. Den 22. März wird er nie mehr vergessen: Er war ganz in der Nähe, als die dritte Bombe in der U-Bahn explodierte.

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Brüssel. Von innen betrachtet sehen die dramatischen Ereignisse von Brüssel ein wenig anders aus. Erschreckend zwar, verstörend auch, aber nicht generell, nicht allgemeingültig. Brüssel ist kein Terroristennest, das gilt auch für die Gemeinde Molenbeek, die zur Hauptstadt-Region gehört. Für Nicholas Goedeking stellen sich die Attentate und ihre Ursachen nicht ganz so einfach dar, wie manche TV-Experten ihre Zuschauer glauben machen wollen. Goedeking lebt seit dem vergangenen Jahr in Brüssel. Er bewegt sich in dieser Stadt, kennt sie schon ganz gut. „Ich würde nicht sagen, dass Molenbeek eine Terroristenhochburg ist“, sagt er.

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Am Tag danach haben sich die Bilder im Kopf des Wuppertalers schon wieder sehr sortiert. Da sind die Verletzten in der Lobby des Hotels, in dem der Volkswirt an einer Konferenz teilgenommen hatte. Da sind die Helfer, die schnell an Ort und Stelle waren, die professionell und routiniert gearbeitet haben. Aber die Geräusche sind auch noch da. „Das ist schon ein Wahnsinnskontrast — draußen die Sirenen und in der Hotellobby die Loungemusik. Und vor dem Hotel roch es nach Silvester.“ Brüssel habe gewirkt wie eine Geisterstadt.

Nicholas Goedeking war zwei Fußminuten von der Stelle entfernt, an der am Dienstag die dritte Bombe explodierte. All die Verletzten. „Ich habe das nicht ganz genau sehen können. Aber es erinnerte an Verbrennungen“, sagt er. Während das Hotelpersonal seinen Gästen Wasser und Cola reichte, arbeiteten Sanitäter im Akkord. An der Schwelle zwischen Terror und Alltag entstehen surreale Bilder

Goedeking bewegt sich mit dem Fahrrad in Brüssel. Wohnung und Arbeitsstelle im Zentrum der europäischen Hauptstadt liegen nicht sehr weit voneinander entfernt. Und wer ohne Auto unterwegs ist, nimmt seine Umgebung meist viel deutlicher wahr. Das gilt auch für die Soldaten, die seit Monaten das Straßenbild der belgischen Metropole prägen. Im November, nach den Anschlägen von Paris, herrschte in Brüssel tagelang Ausnahmezustand. „Die Terrorgefahr war mittlerweile auf Stufe 3 gesenkt worden. Aber Soldaten gab es immer noch überall“, sagt Goedeking. Das sei normal gewesen, unsicher gefühlt habe er sich nicht vor den Terrorakten vom Dienstag, allenfalls ein bisschen mulmig, vor allem kurz nach den Anschlägen von Paris. „Irgendwie gewöhnt man sich daran. Anfangs habe ich mich im Linienbus noch gefragt, was ich hier mache. Aber das gibt sich irgendwann.“

Der Gast aus Deutschland gehört nicht zu jenen, die den belgischen Behörden Versagen vorwerfen, weil sie die schrecklichen Anschläge nicht haben verhindern könnten. Er glaubt zwar, dass die ausgeprägte Bürokratie den Sicherheitsbehörden ihre Arbeit erschwert. „Ich glaube auch, dass die belgischen Behörden überfordert sind. Das ist nicht unnormal. Aber sie kämpfen“, sagt Goedeking. 100-prozentigen Schutz kann niemand gewährleisten. Und Brüssel sei halt eine Transitstadt. „Sie sind in zwei Stunden in Paris, London und Köln.“

Für den 26-Jährigen ist Belgiens Hauptstadt auch nach den furchtbaren Anschlägen eine lebens- und liebenswerte Stadt. Sie sei weltoffen und wirklich schön. Die Nachrichten verdichten das Bild der Stadt in diesen Tagen auf den Terror. „Aber was man derzeit in den Medien mitkriegt, ist nicht, wie es hier ist.“